alzheimer.ch: Warum ist die Würdetherapie gerade für Menschen mit beginnender Demenz besonders hilfreich?
Peter Muijres: Weil sie Angst haben, ihre Würde zu verlieren. Sie empfinden Scham, fühlen sich inkompetent, verletzlich und ziehen sich sozial zurück. Sie merken, dass sie Fehler machen, korrigiert werden, das kratzt am Selbstbewusstsein. Häufig verlieren sie ihre Rolle, die sie bislang in der Familie hatten, andere übernehmen immer mehr Aufgaben, die sie bisher gut gelöst haben.
Die anderen Menschen spiegeln ihnen sozusagen ihre Defizite.
Genau. Einmal habe ich ein älteres Paar besucht, der Mann war an Demenz erkrankt. Er wollte uns unbedingt Tee einschenken, hat mit der Kanne daneben gegossen, und der Tee ist über den Tisch gelaufen. Seine Frau ist wütend aufgesprungen und hat gesagt: Lass mich das machen, was machst du wieder für eine Sauerei! Ich merkte, wie er zusammenzuckte, sich in seiner Gastgeberrolle verletzt fühlte und zugemacht hat.
Die Würdetherapie ist eine Kurzzeittherapie. Wie genau läuft sie ab?
Die Therapie umfasst drei Sitzungen, meist ist neben dem Betroffenen noch eine zweite Person dabei, das kann der Partner sein oder die Tochter oder auch ein Enkel.
Die Therapie setzt bei den Ressourcen an, bei den positiven Erfahrungen und Erlebnissen an, die jemand in seinem Leben gemacht hat.
Die Betroffenen erzählen aus ihrer Vergangenheit, von den Menschen, die ihnen wichtig waren und die nach wie vor in ihrem Leben eine Rolle spielen. Es geht dabei nicht nur um den Rückblick, sondern auch um die Zukunft: Die Betroffenen können Wünsche und Vorstellungen für ihre Kinder, Enkel und Freunde äussern oder auch mal einen konkreten Ratschlag geben.