Spricht ein Forscher von einem «wissenschaftlichen Durchbruch», stellt sich oft heraus, dass das Ergebnis zwar für den Forscher interessant, aber meilenweit davon entfernt ist, Patienten zu nützen zu. Doch was der Neurobiologe Mathias Jucker mit seinem Team herausgefunden hat, könnte tatsächlich dazu beitragen, Alzheimer zu behandeln.
Jucker, Professor am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen und an der Universität in Tübingen, hat mit seinem Team einen Bluttest entwickelt. Damit kann er erkennen, ob die Nervenzellen im Gehirn beschädigt sind, und zwar schon Jahre bevor der Patient Symptome hat.
«Mit weiteren Messungen lässt sich dann ziemlich genau vorhersagen, wie sehr die Hirnleistung nachlassen wird», sagt er. «Unser Bluttest ist viel einfacher, schonender und preiswerter als herkömmliche Untersuchungen.»
Medikamente zeigen bisher keine Wirkung
Alzheimer entsteht – so die gängige Hypothese – weil sich zwei Eiweisse im Gehirn ablagern: Beta-Amyloid und Tau. Durch die Ablagerungen, Plaques genannt, können die Nervenzellen nicht mehr kommunizieren und sterben ab. Doch die Suche nach einem Medikament gestaltet sich äusserst schwierig.
Hunderte von klinischen Studien schlugen bisher fehl. «Bei den bisherigen Medikamentenstudien haben wir vermutlich viel zu spät mit der Behandlung angefangen, nämlich wenn der Patient bereits Hirnleistungsstörungen hat», sagt Giovanni Frisoni, Alzheimer-Forscher an der Universität Genf.
«Medikamente können dann nicht mehr verhindern, dass die Demenz fortschreitet.» Wichtig wäre es also, die Hirnveränderungen möglichst frühzeitig nachzuweisen – und in diesem Stadium neue Medikamente zu prüfen.
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«Den neuen Bluttest finde ich daher sehr vielversprechend», sagt Frisoni. Heute kann man zwar Plaques mit Positronen-Emissionstomografie (PET) darstellen, und Beta-Amyloid und Tau lassen sich im Hirnwasser nachweisen.
Doch PET ist teuer und mit einer Strahlenbelastung verbunden. Die Untersuchung des Hirnwassers wiederum ist für die Patienten unangenehm.
Juckers Test misst Überreste von Nervenzellen. Eigentlich baut der Körper sie rasch ab. Doch ein Stück eines Neurofilaments – das ist quasi das Skelett der Nervenzellen – verschwindet nicht so schnell und ist deshalb im Blut messbar.
Untersucht hat das Forscherteam 405 Blutproben von Menschen mit erblicher Form von Alzheimer. Diejenigen mit Genveränderung, die also mit Sicherheit an Alzheimer erkranken werden, hatten deutlich höhere Neurofilament-Werte als Personen ohne Genveränderung.
«Uns hat erstaunt, dass das Neurofilament schon mehr als 16 Jahre vor dem Auftreten von Alzheimer-Symptomen im Blut anfängt anzusteigen», sagt Jucker. Nahm es weiter zu, ging bei den Genträgern parallel ihr Hirngewebe zurück. «Wir sagten voraus, wie schnell die Hirnleistung nachlassen wird, und so ist es dann auch in den meisten Fällen passiert.»
Suche nach weiteren Tests
Auch andere Forscher suchen fieberhaft nach Alzheimer-Bluttests. Einer davon misst Beta-Amyloid. In einigen Studien sagte der Amyloid-Test mit hoher Wahrscheinlichkeit voraus, ob der Betroffene irgendwann an Alzheimer erkrankt. Ein anderer Test bestimmt das Tau-Eiweiss im Blut.
«Die verschiedenen Tests werden sich ergänzen», sagt Robert Perneczky, Alterspsychiater am Imperial College in London und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. So könnte der Amyloid-Bluttest sich vor allem zur Diagnose eignen, wenn der Arzt unsicher ist, ob eine Demenz durch Alzheimer ausgelöst wird oder durch andere Ursachen wie Medikamente, Depressionen, Schilddrüsenkrankheiten oder eine Vitamin-Unterversorgung.