Demenz-Test: Nur vergesslich oder schon dement? - demenzjournal.com

Demenz-Tests

Demenz-Test: Nur vergesslich oder schon dement?

Demenztest

Bildungsniveau und Stress beeinflussen die Ergebnisse von Demenz-Tests. Bild PD

Demenz-Tests sollen schnell ein Ergebnis liefern. Hier erklären wir die einzelnen Tests. Und wir zeigen auf, warum sie eine hohe Fehlerquote haben – auch wenn sie vom Hausarzt durchgeführt werden.

Bei den einen ist es der Name eines alten Bekannten, der ihnen eines Tages partout nicht mehr einfallen will. Bei den anderen sind es wichtige Absprachen oder Termine, die sie vergessen.

Wieder andere erleben, dass sie immer häufiger verzweifelt nach dem Auto suchen, weil sie sich nicht mehr erinnern, wo sie es das letzte Mal geparkt haben. Wer feststellt, dass das eigene Gedächtnis nachlässt, macht sich verständlicherweise Sorgen: «Bin ich noch normal, oder sind das die ersten Anzeichen von Alzheimer

Demenz zählt zu den Leiden, vor denen sich viele Menschen am meisten fürchten – und das wir uns und unseren Angehörigen wenn irgendwie möglich ersparen wollen. Ein wichtiger Schritt dafür, so scheint es, ist eine frühzeitige Diagnose. Glaubt man Berichten in Zeitungen, Zeitschriften, im Internet oder im Fernsehen, können spezielle Demenz-Tests nicht nur schnell und zuverlässig für »Gewissheit« sorgen.

Je früher die Diagnose da sei, heisst es, desto eher ließen sich auch Maßnahmen ergreifen, um den Verfall des Geistes zu bremsen und eine Einweisung ins Pflegeheim um bis zu zwei Jahre zu verzögern.

Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Zwar gibt es heute mehrere Tests, mit denen Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und Forschende an Kliniken und in Gedächtnisambulanzen die geistigen (kognitiven) Fähigkeiten besorgter gesunder oder verwirrter, vergesslicher und desorientierter älterer Menschen prüfen und anhand derer sie ihre Demenz-Diagnosen stellen.

Vergesslichkeit kann auch andere Ursachen haben

Doch anders als die Bezeichnung »Demenz-Test« vermuten lässt, ist ein schlechtes Testergebnis mitnichten ein Beweis für eine Demenz. Denn: Zahlreiche Erkrankungen, verschiedene Mangelzustände sowie die Folgen diverser medizinischer Therapien können eine Demenz vortäuschen, obwohl das Gehirn intakt ist und die Beschwerden behebbar und reversibel sind. Eine Therapie, die eine (echte) Demenz verhindern, aufhalten oder gar heilen könnte, gibt es nicht. 

Keine Frage: Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, auffällige Veränderungen im Verhalten oder gar Halluzinationen sind ernstzunehmende Hinweise darauf, dass ein gesundheitliches Problem vorliegt.

Richtig ist auch, dass sich Betroffene so bald wie möglich fachärztlich untersuchen lassen sollten. Entscheidend ist jedoch, was dann an Diagnostik folgt. Zu den häufigsten Verfahren, die Mediziner bei Verdacht auf Demenz einsetzen, gehören sogenannte neuropsychologische Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST), der DemTect und der Uhrentest.

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So funktioniert der Uhrentest

Beim Uhrentest wird der Patient gebeten, das Zifferblatt einer Uhr zu zeichnen und eine bestimmte Uhrzeit einzutragen. Anhand der Abweichungen in der Darstellung werden Rückschlüsse auf das Ausmaß der Hirnfunktionsstörung gezogen. Dabei werden je nach Abweichung 1 bis 6 Punkte vergeben, wobei Werte von 3 oder mehr Punkten als Hinweis auf eine Demenz gelten.

Der Uhrentest.Bild PD

Zeichnet der Proband die Uhr perfekt (Ziffern 1-12 an der richtigen Stelle, korrekte Uhrzeit eingezeichnet) wird 1 Punkt vergeben. Sind die Abstände zwischen den Ziffern unregelmäßig oder Ziffern außerhalb des Zifferblatts bzw. ist das Zifferblatt verdreht, gibt das 2 Punkte.

Ist die Uhr fehlerhaft, weil nur ein Zeiger eingezeichnet oder keine Uhrzeit eingetragen ist, führt das zu 3 Punkten. Bei zunehmendem Durcheinader werden 4 bzw. 5 Punkte vergeben. Zeichnet der Patient gar keine Uhr, führt das zu 6 Punkten.

So funktioniert der DemTect-Test

Der DemTect-Test besteht aus fünf Teilen, anhand derer verschiedene geistige Fähigkeiten getestet werden. In Teil 1 wird dem Probanden eine Wortliste mit zehn Begriffen vorgelesen, die er wiederholen soll. Das Ganze wird einmal wiederholt.

Auswertung des DemTects.Bild PD

Im zweiten Teil soll der Patient Zahlen umwandeln – zuerst eine Ziffer in das entsprechende Wort, danach umgekehrt. Im dritten Teil soll die Person so viele Dinge wie möglich nennen, die man in einem Supermarkt kaufen kann.

In der vierten Aufgabe werden zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechsstellige Zahlenreihen vorgelesen, die der Patient rückwärts nachsprechen soll.

Gezählt wird die längste richtig rückwärts wiederholte Zahlenfolge. Zuletzt wird die Wortliste der ersten Aufgabe wiederholt. Am Schluss erhalten alle Teilergebnisse einen entsprechenden Punktewert laut einer Umrechnungstabelle. Diese fünf Punktwerte werden zum Gesamtergebnis addiert.

Auswertung des Demtect-Tests

Maximal erreichbar sind 18 Punkte. 13 bis 18 Punkte gelten als altersgemässe kognitive Leistung, 9 bis 12 Punkte als leichte kognitive Beeinträchtigung, bei 8 Punkten und weniger heißt es: Demenzverdacht.

So funktioniert der Mini-Mental-Status-Test (MMS)

Der Mini-Mental-Status-Test (MMS) besteht aus einem kurzen Fragebogen. Darin wird die Patientin unter anderem zur aktuellen Zeit (Jahr, Jahreszeit, Wochentag, Monat, Datum) befragt sowie zu dem Ort, an dem sie sich gerade befindet (Bundesland, Stadt, Stadtteil, Klinik / Praxis / Altenheim, Station / Stockwerk).

Zudem wird die Merkfähigkeit getestet, indem die Patientin drei verschiedenartige Begriffe wiederholen muss, die man ihr zuvor langsam vorspricht. Die Fähigkeit zu rechnen wird anhand folgender Aufgabe überprüft: »Zählen Sie bei 100 beginnend in Siebener-Schritten rückwärts.«

«Auf demenzjournal.com finden sich die Informationen, die ich gebraucht hätte, als ich in meiner Familie bei diesem Thema am Anfang stand.»

Arno Geiger, Schriftsteller (Der alte König in seinem Exil)

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Nach fünf Subtraktionen (93, 86, 79, 72, 65) wird gestoppt, und der Untersucher zählt die richtigen Antworten. In einer weiteren Aufgabe wird der Patientin eine Armbanduhr gezeigt mit der Frage, was das sei. Für jede korrekt beantwortete Frage gibt es einen Punkt.

Auswertung des Mini-Mental-Status-Tests (MMS)

Maximal erreichbar sind 30 Punkte. Eine Demenz wird bei 23-24 Punkten und weniger diagnostiziert. Grenzwerte für die Diagnose einer Demenz werden zwischen 24 und 26 Punkten angegeben. Werte unter 20 Punkten stehen für mittelgradige Demenz, unter 10 Punkten für schwere Demenz. 

Für alle neuropsychologischen Demenz-Tests gilt: Mit keinem einzigen dieser Verfahren lässt sich wirklich feststellen, ob ein Mensch Demenz hat oder nicht.

Denn viele Faktoren können dazu führen, dass ein Patient in solchen Tests »versagt« – obwohl sein Gehirn weder irreparabel geschädigt noch von einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit befallen ist.

ZDF-Beitrag über Fehldiagnosen bei Demenz-Tests

Quelle ZDF/YouTube

Wie ein Mensch im Test abschneidet, hängt unter anderem vom Bildungsniveau, von der sozialen Schicht und von der seelischen Verfassung ab. Allein schon die Prüfungssituation, in der man sich bei einem Gedächtnistest befindet, setzt viele Menschen unter massiven Stress.

Stress kann beim Demenz-Test das Denken blockieren

Und zwar umso mehr, wenn sie ohnehin verunsichert, ängstlich, betrübt, gebrechlich oder voller Sorgen und Selbstzweifel sind. Stress hemmt die Informationsverarbeitung im Gehirn und blockiert so das Denken und das Gedächtnis. Von Ärzt:innen werden solche Tests dennoch gerne und häufig eingesetzt. Das hat mehrere Gründe:

  • Alle drei Tests sind leicht und schnell durchzuführen, sie erfordern keinen teuren Gerätepark.
  • Sie werden auf medizinischen Fortbildungen sowie in Informationsbroschüren von Arzneimittelherstellern als hilfreiches und verlässliches Instrument zur Demenz-Diagnose empfohlen. Ärzt:innen müssen die Tests nicht einmal selbst vornehmen, meist erledigen das ihre Mitarbeitenden.
  • Der Test vermittelt das Gefühl von Wissenschaftlichkeit und Zuverlässigkeit – sowohl den Patient:innen und ihren Angehörigen als auch den Mediziner:innen. Schließlich steht am Ende eine konkrete Punktzahl schwarz auf weiß.

Unabhängige Experten warnen jedoch davor, einen Demenz-Test pauschal zur Früherkennung durchzuführen. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) in Essen hat die Tests unter die Lupe genommen. Dabei stellte sich heraus: Wissenschaftliche Studien, die den Nutzen der Tests belegen könnten, gibt es nicht.