In Notfällen und Krisen demenzgerecht handeln - demenzjournal.com

Validation für Einsatzkräfte

In Notfällen und Krisen demenzgerecht handeln

Ein vertrauensvoller und empathischer Umgang ist in Notfällen sehr wichtig. Bild PD

Das Verhalten von Menschen mit Demenz kann Sanitäter, Feuerwehrleute oder Polizisten überfordern. Ein Ratgeber soll Einsatzkräften die Techniken der Validation vermitteln.

In vielen Gemeinden und Städten gibt es Bemühungen, demenzfreundlich oder demenzsensibel zu werden – in Deutschland und der Schweiz seit mehreren Jahren, in Österreich eher neu und in einer wachsenden Anzahl von Kommunen.

Die Schulung von Geschäftsleuten und Einsatzkräften für einen «aufgeklärten» und damit konfliktarmen Umgang mit Menschen mit Demenz ist fast immer eine fix gesetzte Massnahme. So wurde in Österreich etwa eine Onlineschulung für die Polizei entwickelt sowie ein Programm zur Zertifizierung als «demenzfreundliche Dienststelle».

Das Buch «Validation für Einsatzkräfte» von Vicki de Klerk-Rubin kommt da gerade recht. Der schmale Band wendet sich an Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute und ist als Arbeitsbehelf mit vielen Beispielen und Fragen zur Selbsteinschätzung der Lerninhalte gestaltet. Hinweise auf Videos und Hörbeispiele bieten auch digitales Lernmaterial.

Wer sofort nach Lösungen sucht, muss sich gedulden. Die Autorin beginnt mit Definitionen und Abgrenzungen von Krankheitsbildern und Demenzphasen.

Danach führt sie kompakt in die Grundlagen der Validation, vor allem die Theorie der Lebensabschnitte nach Erikson, das Verlusterleben im Alter und die für Naomi Feil so zentrale Theorie der Aufarbeitung in den vier Phasen ein.

Ein recht ausführliches Kapitel über Bedürfnisse und Emotionen führt weiter an das Erleben von Demenzbetroffenen heran.

Mit diesen Grundlagen geht es an konkrete Anwendung: Zentrieren, Beobachten, Anpassen und Blickkontakt sowie Nähe nehmen breiten Raum ein.

Recht knapp gehalten ist das, was wohl gemeinhin mit Validation assoziiert wird: Die Fragetechnik, das Umformulieren, die Verwendung von Schlüsselwörtern. Frustrierend ist hier die ausführliche Darlegung und Wiederholung von Beispielen, wie es ohne Validation schlecht läuft – nur einer der am Beginn des Buches geschilderten Fälle wird «umgearbeitet» im Sinne der erläuterten Techniken.

Hier finden Sie unser Lernvideo zum Thema «Validation»

Lernvideo

Validation bei Demenz: «Ich will nach Hause!»

Menschen mit Demenz äussern oft den Wunsch, nach Hause zu gehen – obwohl sie sich zu Hause befinden oder in einem Heim bleiben … weiterlesen

Für die anderen Beispiele gibt es zwar Situationsanalysen, die aber recht theoretisch bleiben. Im letzten Kapitel geht de Klerk-Rubin noch ausführlich auf Probleme ein, die sich für Einsatzkräfte allgemein im Umgang mit alten, desorientierten Personen stellen können, aber eher sehr allgemein auf einer Metaebene im Sinne von Selbstreflexion und -entwicklung als von Validation.

Was dem Buch sehr gut gelingt, ist es ein grosses Verständnis für die Lebenssituation alter, desorientierter Menschen zu schaffen und nachdrücklich für einen vertrauensvollen, empathischen Umgang zu plädieren.
Die Einsatzkräfte, die dieses Buch durcharbeiten, erhalten sicher die Ermutigung, sich etwas Zeit zu nehmen und in Zuwendung zu «investieren».

Dadurch werden sie nicht, wie es der Klappentext vollmundig verspricht «Leben retten», aber sie werden auch in schwierigen Situationen hilfreich auftreten und öfter Eskalationen vermeiden können. Kritisch sind die Passagen zu sehen, in denen die Autorin auf eine sehr genaue «Diagnose» und Unterscheidung von Krankheitsbildern und -phasen drängt.

Es ist kaum realistisch anzunehmen, dass ein Polizist oder Feuerwehrmann zwischen einer Demenz und einem Delir unterscheiden kann, geschweige denn in einer Krise feststellen kann, ob eine Psychose vorliegt.

Auch die Situationen, in denen Angehörige genaue Auskünfte über Krankheitsverläufe geben wollen oder können, sind wohl eher selten in diesen Berufsfeldern. Die Hinweise, dass man mit Validation auch etwas schlimmer machen kann, könnten auch dazu führen, das Buch vorsichtshalber wieder aus der Hand zu legen.

Auch einige Überprüfungs-Aufgaben sind für Erstleser kaum zu bewältigen und frustrieren dadurch eher. Wer dennoch dran bleibt, wird vielleicht bei den verschiedenen Phasen der Aufarbeitung hängen bleiben – für Leser, die sich mit den Gedanken von Naomi Feil zum ersten Mal beschäftigen, sind diese Darstellungen vermutlich zu knapp und zu wenig mit den Beispielen von der Einleitung verbunden.

Das Anliegen von «Validation für Einsatzkräfte» ist wichtig und praxisrelevant. Das Buch wird aber als Behelf für das Selbststudium nicht ausreichen – ganz sicher aber ist es eine prima Vorbereitung oder Nachbereitung für ein Präsenzseminar mit viel Fallarbeit und konkreten Übungen.

Wie praktisch also, dass es zum Beispiel im Juni in Wien dazu Seminare mit Vicki de Klerk-Rubin gibt! Vielleicht ist das Buch eine Ermutigung für Validationstrainerinnen an vielen anderen Orten, solche Tagesseminare anzubieten. Damit liesse sich ganz sicherlich vieles für desorientierte Menschen im Einsatzfall verbessern.

Und, wie Vicki de Klerk-Rubin richtig schreibt: Auch die Einsatzkräfte profitieren davon, auf Augenhöhe und deeskalierend agieren zu können, denn Helfen ist schliesslich ihr Beruf.