Ein Wohnmobil kurvt durch das herbstliche England. In der Kabine sitzen Sam und Tusker. Das Paar verbindet eine langjährige Beziehung, die geprägt ist durch philosophischen Austausch und Kreativität; Tusker (Stanley Tucci) ist Schriftsteller, Sam (Colin Firth) Musiker.

Das Ziel des Roadtrips ist der Ort, an dem Sam nach längerer Pause sein Bühnen-Comeback feiern soll.

Dann ein erster Schock. Als Sam bei einem kurzen Zwischenstopp vom Einkaufen zurückkommt, ist Tusker samt Hund Ruby verschwunden. Bei einbrechender Dunkelheit findet Sam seinen Partner wieder. Tusker steht auf einer Landstrasse, angestrahlt durch die Scheinwerfer eines Wagens, der wohl gerade noch gebremst hat. Wortlos nimmt Sam ihn in die Arme.

So beginnt «Supernova». Ein Film, der in stillen Bildern ein Ereignis von astronomischer Tragweite andeutet.

Was wir schon vermutet haben – an der Umständlichkeit, mit der Tusker die Landkarte liest, oder dem plötzlichen Verschwinden – wird bestätigt, als Tusker am Abend das Diktiergerät einschaltet. Es ist ein tägliches Ritual, Sam und Tusker sitzen sich im Wohnwagen gegenüber.

«Wir haben den 20. Oktober», diktiert Tusker. «Willkommen zur Demenz-Stunde.»

Es folgt ein ehrlicher Austausch, ein psychischer Kassensturz, in der sicheren Umgebung einer Interview-Situation. Hier wird gesagt, was aus Furcht, Scham, Sorge oder Überforderung tagsüber nicht gesagt werden kann.

Aber auch nicht alles. Zum Beispiel, was es mit Tuskers «Schreibblockade» auf sich hat und was in der Holzschachtel ist, die er zwischen seinen privaten Sachen aufbewahrt.

Umeinander besorgt und gleichzeitig in einem Zustand zerbrechlicher Zweisamkeit fahren Sam und Tusker weiter Richtung Konzertort. Sie campen an ‹ihrem› See, betrachten den Sternenhimmel und besuchen Sams Familie, mit der Tusker eine Überraschungsgeburtstagsparty für Sam organisiert hat.

Während die Party in vollem Gange ist, entdeckt Sam etwas, das die Beziehung mit Tusker auf eine ernste Probe stellt.

Hier entlädt sich, was lange unausgesprochen war – und es tauchen existenzielle Fragen auf, auf die es keine einfache Antwort gibt.

Mit «Supernova» hat Regisseur Harry Macqueen einen tiefgründigen Film über die Dimensionen der Liebe und Selbstbestimmung angesichts der Diagnose Demenz geschaffen. Das Drama wirkt umso stärker, weil es völlig unaufgeregt und ruhig erzählt wird.

Thematisiert wird eine ganze Bandbreite an Fragen. Was geschieht mit dem Betroffenen, wie verändert Alzheimer sein Selbstbild? Wie soll man als Paar, als Familie mit dieser Veränderung umgehen? Wie viel Unterstützung kann das Umfeld bieten und wie weit geht Selbstbestimmung?

Der Film ist nicht nur dramaturgisch klug gemacht, sondern wird durch die ausgezeichnete Leistung der Hauptdarsteller Colin Firth und Stanley Tucci getragen.

Nichts wirkt aufgesetzt. Beide Schauspieler überzeugen durch ihre austarierte Körpersprache. Die Bedeutung liegt oft im Ungesagten.

Auch die Herausforderung, einen an Alzheimer erkrankten Menschen und dessen engsten Angehörigen zu spielen, meistern Firth und Tucci.

Da liegt konstante Sorge in Sams Blick. Er sucht nach Zeichen, die er eigentlich nicht sehen will. Dahinter die stumme Frage an den Partner: Wie geht es dir wirklich?

Tusker hingegen möchte nicht, dass Sam sich für ihn aufopfert.

Er überspielt, wie schwierig die Situation für ihn in Wahrheit ist, was in ihm vorgeht. Oft wirkt er unsicher, zögerlich. Und doch ist da einer, der genau weiss, was er will. Und was nicht.

Bei aller Tragik gelingt es dem Regisseur, immer wieder Momente der Leichtigkeit einzuflechten. Zum Beispiel die Kabbeleien von Tusker und Sam, die man sofort ins Herz schliesst.

Oder goldene Sätze wie jener von Tusker: «Über etwas traurig zu sein, das fort ist, heisst, dass es wirklich grossartig war.»

Das stimmt versöhnlich.