Im Norden der USA tobt ein Schneesturm. Ruth verlässt nachts in leichter Kleidung ihre Wohnung in Chicago und macht sich auf einen Weg mit unbekanntem Ziel. Ihr Mann Burt sucht nach ihr «an allen Orten, an denen sie jemals gewesen ist».

Er schaltet die Polizei ein und bittet Sohn Nicky um Hilfe. Dieser wiederum informiert seine Schwester Bitty, die mit ihrer Tochter Emma aus Kalifornien anreist.

Dies ärgert den Vater, da er Tochter und Enkelin in der Weihnachtszeit im Kreise ihrer eigenen Familie wissen will. Bald können die vier Familienmitglieder die unversehrte und gut gelaunte Ruth in einem Spital abholen.

Das Happy End ist von kurzer Dauer. Die Kinder machen sich Sorgen um den Vater, der einen Herzinfarkt hinter sich hat, aber kaum Hilfe annehmen und Ruth schon gar nicht in ein Heim geben will («Es ist mein Mädchen, ihr könnt mir mein Mädchen nicht wegnehmen!»).

Nicky findet, seine Mutter müsse ins Heim gehen und beschafft entsprechende Informationen. Dabei findet er unter anderem heraus, dass all diese Heime «beschissene Namen» haben. Seine Schwester Bitty will die Situation ihrer Eltern mit der einen oder anderen Intervention verbessern.

Nicky ärgert dies, weil seine lange abwesende Schwester keine Ahnung habe und nicht regelmässig wegen Notfällen um den Schlaf gebracht werde.

Mit «What They Had» kommt ein weiterer Film in die Kinos, dessen Handlung sich um die Krankheit Demenz und ihre Auswirkungen dreht. Sein Ausgangspunkt ist das gleichnamige Drehbuch der Regisseurin und Schauspielerin Elizabeth Chomko.

Ruth (Blythe Danner) und Burt (Robert Foster) verbindet auch in schwierigen Zeiten eine tiefe Liebe.Bild PD

Es erhielt 2015 eine Auszeichnung des Nicholl Fellowships in Screenwriting. Dieser Erfolg wiederum ermöglichte Chomko, den Film als Regisseurin zu realisieren. Die Hauptrollen besetzte sie mit erstklassigen Schauspielern. Die zweifache Oscar- und Golden-Globe-Gewinnerin Hilary Swank spielt Bitty.

Michael Shannon, der in Filmen wie «Revolutionary Road» oder «Nocturnal Animals» glänzte, spielt ihren Bruder Nicky. Robert Foster macht als fürsorglicher Ehegatte Burt eine gute Figur.

Blythe Danner hält sich als demente Ruth zurück und gibt damit ihrer Figur viel Kraft.

Sie vermeidet den Fehler, Menschen mit Demenz als bemitleidenswerten und dauerpräsenten Clown darzustellen.

Die Demenzerkrankung der Mutter bringt das Leben der Everhardts durcheinander, indem sie die Familienmitglieder wieder zusammenbringt und alte Konflikte an die Oberfläche spült. Bitty hat die letzten 20 Jahre lustlos in einer Ehe mit dem reichen Kalifornier Eddie verbracht und denkt jetzt über eine Scheidung nach.

Damit erzürnt sie ihren Vater, für den die Ehe seiner Tochter ein «Home Run» ist. «Kalifornien ist dein Problem», sagt der Vater, «dort lassen sich alle scheiden. Auch wir hatten unsere Krisen. Die Liebe ist eine Verpflichtung, daran muss man arbeiten. Sprich mit einem Priester!»

Nicky ist in seiner Unzufriedenheit mit seinem Job als Inhaber einer Bar und seiner kriselnden Beziehung zu Mary zum Zyniker geworden. Mit unfreundlichem Verhalten und penetranter Fäkalsprache bringt er seine Mitmenschen gegen sich auf.

Die Erkrankung der Mutter sorgt für Streit unter den Geschwistern Bitty (Hilary Swank) und und Nicky (Michael Shannon).Bild PD

Es stellt sich heraus, dass die Eltern oft abwesend waren. Bitty musste früh den Haushalt organisieren und für ihren Bruder sorgen. Erst ein erneutes Verschwinden der Mutter bringt eine Versöhnung der beiden Geschwister.

«What They Had» ist ein realistisches Familiendrama, das sich um Krankheit und existenzielle Fragen dreht. Trotzdem gibt es viele lichte Momente. Dafür sorgt auch die erkrankte Ruth mit scharfsinnigen und poesievollen Anmerkungen. Der äusserst sehenswerte und kunstvolle Film endet versöhnlich – auf welche Weise, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten.

Zwei grossartige Hauptdarstellerinnen: Blythe Danner (links) und Hilary Swank.Bild PD