Dies ist eine Stellungnahme, ausgelöst durch den Artikel «Die brutale Seite des Pflegenotstands» in «Der Standard» vom 6. September 2021.
Im Krieg ist vieles erlaubt, auch sprachlich. Immerhin geht es um Mobilmachung gegen das Böse. Ist deswegen auch in der medialen Darstellung erlaubt, über das Leben mit Demenz zu schreiben und sprechen wie aus einem Kriegsgebiet?
Dass die Demenz ein grosser Volksfeind ist, den es zu bekämpfen gilt, dieses Sprach- und Denkmuster ist nicht neu. Mit kriegerischen Metaphern wird die Krankheit beschrieben, die Menschen hinterrücks überfällt, Not und Elend verbreitet und alles auffrisst und hinwegrafft. Die Erwähnung der bald anstehenden Verdoppelung der Fallzahlen zeigt, wie gnadenlos der Feind ist.
Der Kampf gegen die Demenz wird glorifiziert, alle Beteiligten werden zu Opfern oder Helden.
In den letzten Jahren haben sich viele Akteurinnen und Akteure in Österreich dafür stark gemacht, dass diese Art, über Demenz zu sprechen und zu schreiben, in den Hintergrund tritt. Weil dadurch Angst verstärkt wird, weil so Lebensrealitäten holzschnittartig verzerrt und Betroffene zu chancenlosen Opfern gestempelt werden.
Im Rahmen dieser Anstrengungen wurde unter anderem ein Leitfaden für demenzsensible Sprache entwickelt. Ich werde im Folgenden alle, die mit mir für eine neue Sichtweise eintreten, als «wir» bezeichnen.