«Das Rezept heisst Begegnung» - demenzjournal.com

Demenz Meet

«Das Rezept heisst Begegnung»

Doktor der Staatswissenschaften, Fallschirmjäger, Führungserfahrung im Event- und Kulturbereich: Dominik Isler. Dominik Isler.

Dominik Isler und Fabian Wassmer haben von Daniel Wagner die Demenz Meets übernommen. Ein Social Franchising soll sie nun zu einer kraftvollen europäischen Bewegung formen. alzheimer.ch sprach mit Isler über seine neuen Aufgaben und sein Leben als Angehöriger.

«Leichte Stunden Stunden zu einem schweren Thema» heisst die Devise an den Demenz Meets. Hier begegnen sich Menschen mit Demenz, Angehörige, Pflegende, Experten, Fachleute usw. in unkompliziertem Rahmen auf Augenhöhe. Initiator Daniel Wagner gibt den Staffelstab an Dominik Isler und Fabian Wassmer weiter.

alzheimer.ch: Dominik, was hast du vor mit den Demenz Meets?

Dominik Isler: Wir können die Welt nicht heute verändern, wir habe keine grossen Werbebudgets und leisten viel ehrenamtliche Arbeit. Wir möchten aber andere befähigen, einfach und ohne grosse Risiken ein Demenz Meet in ihrer Stadt zu organisieren. Dazu gibt es jetzt unser Social Franchising.

Wie funktioniert das?

Wir geben interessierten Personen und Organisationen einen Werkzeugkasten mit Manuals und Tools, damit sie von unserem Wissen über Sponsoring, Programm, Referenten, Location und so weiter profitieren können.

In den Manuals steht, wie diese Personen einen Verein gründen können, der dann unser Lizenznehmer wird. Sie bekommen Vorlagen – zum Beispiel eine für die Anfrage an einen Caterer, damit dieser ihnen die Mittagessen spendiert. Sie bekommen auch eine eigene Website mit einem fixfertigen Ticketing-Tool.

Du willst also diese Demenz-Aktivisten effizienter und kompetenter machen…

Meist sind die Lizenznehmer keine Eventprofis, oft sind sie noch in einer Betreuungssituation und haben wenig Zeit. Deshalb wollen wir ihnen die Aufgabe erleichtern. Auf diese Weise wollen wir in drei Jahren 50 Demenz Meets haben in ganz Europa. Und so zu einer Stimme werden, die man hört und wahrnimmt. Denn wir müssen Demenz in die Mitte unserer Gesellschaft nehmen; müssen es unbedingt enttabuisieren.

Leichte Stunden zu einem schweren Thema: Impression vom Zürcher Demenz Meet.Demenz Meet

Welche Menschen und Organisationen kommen als Lizenznehmende in Frage?   

Neue Anfragen treffen fast monatlich bei uns ein, unsere Projektleiterin Pamina Gisler betreut diese wachsende Community. In der Schweiz kommen die Anfragen vor allem von Angehörigen, im Ausland tendenziell von Organisationen. Basis dafür sind hauptsächlich die starken Facebook-Gruppen, die Daniel Wagner aufgebaut hat.

Wir haben sogar Anfragen aus Holland und Italien.

Aber eine Übersetzung können wir uns derzeit nicht leisten, und wir wollen einen Schritt nach dem anderen tun. Wenn wir mit den Meets 50 Mal 150 Leute erreichen, die alle Angehörige, Kollegen und Freunde haben, werden wir zu einer Bewegung, online und offline. So können wir unser langfristiges Ziel erreichen: Das Verständnis von Demenz in der Gesellschaft verändern und normalisieren.

Dominik Isler

Dominik Isler ist Doktor der Staatswissenschaften und hat in Zürich, St. Gallen und Vancouver studiert. Er war Fallschirmjäger, Mitglied der Geschäftsleitung des Kultur- und Kongresszentrums Luzern (KKL) und leitete als CEO das Kaufleuten in Zürich und das Swiss Economic Forum. Zusammen mit Fabian Wassmer gründete er 2019 die inhabergeführte LINDEN 3L AG. Sie ist spezialisiert auf die Gestaltung von wirkungsvollen Anlässen und das Hosting von Communities für Führungskräfte aus Wirtschaft und Gesellschaft. Online, offline & hybrid.

alzheimer.ch: In wenigen Wochen finden in St. Gallen, Zürich und Basel die Demenz Meets statt. Woran arbeitet ihr gerade?

Es ist in diesem Corona-Jahr alles recht kurzfristig. Im Moment gibt es noch einiges zu tun. Einerseits unterstützen wir von unserer Firma LINDEN in Bern aus alle Demenz Meets in der Schweiz und im Ausland. Andererseits organisieren wir selbst das Basler Demenz Meet, zu dem wir wie die Jungfrau zum Kind gekommen sind.

Anfang 2020 gab es in der Organisation des Demenz Meet in Basel Veränderungen, deshalb sind wir eingesprungen. Nach der COVID-Pause im letzten Jahr gibt es noch ein paar Fragen zu klären, und es hat noch Lücken im Programm, die zu füllen sind.

Heute Morgen habe ich zudem meine Kontakte in Basel aktiviert. Fürs nächste Jahr wollen wir wie in den anderen Städten jemanden finden, der das Demenz Meet in Basel wieder als lokaler Verein organisiert. Meldet euch bei mir!

Daniel Wagner hat die Demenz Meets ins Leben gerufen und geprägt. Jetzt fragt sich die Szene, wer sein Nachfolger ist. Wer bist du?

Ich bin Angehöriger eines Demenz-Betroffenen und ein Freund von Daniel Wagner. Und ich war mein ganzes berufliches Leben lang interessiert an Begegnungen mit Menschen. Ich lernte Daniel vor acht Jahren kennen, als ich das Kaufleuten leitete (Anmerkung der Redaktion: Club, Restaurant und Kulturhaus in Zürich), er half uns bei der Kommunikation. Ich war damals im familiären Umfeld noch nicht von Demenz betroffen – ausser, so denke ich im Nachhinein, dass meine Grossmutter wohl eine Demenz hatte, was man aber verschwieg.

Du hast die Geschichte von Daniels Vater mitbekommen, der an Alzheimer gestorben ist…

Ja, diese berührende Geschichte und die Erfahrungen von Daniel sind die Wurzeln unserer Bewegung. Vor zwei Jahren war ich am Zürcher Demenz Meet. Daniel wollte nicht mehr allein weitermachen und suchte Verstärkung.

Ich gab zu der Zeit meinen Job beim Swiss Economic Forum auf und gründete gemeinsam mit Fabian Wassmer die Firma LINDEN Live Learning Labs. Fabians Grossmutter hatte eine Demenz, gleichzeitig wurden die Demenz-Symptome bei meinem Vater immer stärker. Also haben wir uns entschieden, die Demenz Meets zu übernehmen. Weil es richtig und wichtig ist.

«Es macht Menschen krank, wenn sie mit ihren Problemen allein gelassen werden. Deshalb ist es gut, dass es demenzjournal.com gibt.»

Gerald Hüther, Hirnforscher und Bestsellerautor

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Wie geht es deinem Vater?

Das ist schwierig zu sagen. Ich denke, es geht ihm recht gut. Es ist das typische Bild: Von aussen sagen die Leute: «Es ist ja gar nicht so schlimm.» Aber sobald die Türe zu ist, wird es eine enorme Belastung.

Ich versuche, einmal pro Woche bei ihm zu sein und dort zu übernachten, um meine Mutter zu entlasten.

Er erkennt mich, aber er wird mich häufig fragen, woher ich komme, wie es beim Arbeiten läuft und wohin ich gehe. Sein Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr gut. Wir tauschen uns intensiv aus in der Familie und fragen uns: Wie schaffen wir es gemeinsam? Wie können wir meine Mutter unterstützen? Was sind die nächsten Schritte und Alternativen?  

Was hast du 2019 am Zürcher Demenz Meet erfahren? Wie kann die Integration von Betroffenen gelingen?

Diese individuellen Fragen und die Antworten darauf sowie der Austausch darüber sind die Essenz der Demenz Meets. Die Meets sind so bereichernd und berührend, weil Daniel sie aus einem tiefen Bedürfnis heraus gemacht hat.

Ich erlebte es vor zwei Jahren eins zu eins, als wir mit meinem Vater in der Memory Clinic waren.

Wenn ich nicht so gut vorinformieirt gewesen wäre, wären wir nur mit einer Broschüre heimgegangen. Es heisst dann: «Arrangiert euch!». Die Hausärztin hatte keine Ahnung, meine Mutter wäre völlig allein gewesen, das Thema wird tabuisiert. Das ist eine wahnsinnige Überforderung!

Gibt es Patentrezepte, wie Integration und Austausch gelingen können?

Das Patentrezept heisst «Begegnung aller Involvierten auf Augenhöhe». Wenn Leute wie du und ich in einem «geschützten Rahmen» hinstehen und sagen können: «Es geht nicht mehr – ich brauche Hilfe!». Es geht also um einen offenen Austausch von Erfahrungen.

Dieses Jahr werden wir zum Beispiel am Demenz Meet Basel «Life Hacks» sammeln.

Die Teilnehmenden können an einem Stand sagen, was ihr bester Tipp ist für den Umgang mit Menschen mit Demenz. In meiner Familie stellt sich zum Beispiel die Frage: Mein Vater trägt weder das Handy noch eine Uhr mit sich. Jetzt fragen wir uns, wie wir ihn tracken können, wenn er den Heimweg einmal nicht mehr finden sollte. Das sind die kleinen Dinge, die im Alltag sehr wichtig sind.

Was sind die Perspektiven für die Demenz Meets?

Zukunft braucht Herkunft, Fabian und ich wollen am Geist der Meets nichts ändern, wir wollen sie auch nicht kommerzialisieren. Ich bin sehr dankbar und demütig gegenüber dem, was Daniel aufgebaut hat. Die Meets sollen seine DNA behalten, denn die ist richtig gut und berührt mich stark.

Wir werden künftig Webinare und Web-Talks anbieten und auf der Portalseite www.demenzmeet.ch einbinden. Und ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr in der Schweiz mindestens sechs Demenz Meets haben werden, von St.Gallen bis nach Lausanne.

Worauf freust Du Dich?

Wir bauen jetzt eine Bewegung auf und tragen diesen Geist mutig in die weite Welt. Ich freue mich auf herzliche Begegnungen an den Meets in St.Gallen, Zürich und Basel. Ich freue mich auf leichte Stunden zu diesem schweren Thema.

Das Social Franchising der Demenz Meets

Von einzelnen Veranstaltungen zu einer europäischen Bewegung: Die Demenz Meets sind ein wirkungsvolles Social Franchising Pionierprojekt zur Verbreitung eines neuen, menschlichen und integrierenden Umgangs mit Demenz in Europa.

Für den Aufbau des Social Franchising braucht es finanzielle Unterstützung. Spender, Gönner und Sponsoren können sich bei Dominik Isler melden: dis(@)demenzmeet.ch oder +41 79 225 88 91.