Warum ich nicht mehr wählen gehe - demenzjournal.com

Politikverdrossenheit

Warum ich nicht mehr wählen gehe

Gute Nacht Bern: Michael Schmieder mag nach vielen negativen Erlebnissen mit Gesundheitspolitik und -verwaltung nicht mehr wählen. Bild PD

Im Gesundheitswesen hält der bürokratische Alltagswahnsinn die Mitarbeitenden von ihren wirklichen Aufgaben fern. Weil kein Politiker und keine Partei etwas dagegen unternehmen will, mag der Demenz-Pionier Michael Schmieder nicht mehr wählen.

Ich bin ein politischer Mensch und verpasste bisher keine, wirklich keine Abstimmung. Ich panaschierte und kumulierte, fügte Namen hinzu und strich andere. Ich legte mich nie auf eine Partei fest. In diesem Herbst werde ich nicht an den Wahlen in den National- und Ständerat teilnehmen.

Warum? Bürokratisierung geschieht nicht zufällig. Bürokratie entspringt einem grundlegenden Misstrauen des Systems gegenüber den eigenen Bürgern.

Bürokratie hat die Schweiz im Griff! «Da kann man nichts machen, das ist halt so, das gehört dazu», so oder ähnlich tönt es vielerorts. Der Staat hat sich als Diener seiner Bürger zu verstehen. Die Menschen die dort arbeiten, haben Sorge dafür zu tragen, dass die Bürger ihre Rechte und Pflichten möglichst einfach wahrnehmen können.

Als langjährige Führungsperson im Gesundheitswesen habe ich hautnah miterlebt, wie sich die Bürokratisierung schleichend immer mehr Raum nimmt. Letztendlich geht es nur noch darum, dass Regeln und Normen erfüllt werden, die nicht von der Politik, sondern von den Verwaltungen selber festgelegt werden.

Gerade im Gesundheitswesen lässt sich dann immer argumentieren, dass man die Schwächsten schützen muss.

Das muss man tatsächlich, aber niemand hinterfragt, ob das durch diese bürokratischen Vorgaben überhaupt geschieht. Es ist davon auszugehen, dass die ausufernde Bürokratisierung den arbeitenden  Menschen ihre Ressourcen entzieht, dass der überall herrschende Kontrollwahn nur noch die Dokumentation von Leistungen und nicht mehr die tatsächliche Erbringung bewertet.

Michael Schmieder.Bild Véronique Hoegger

Bürokratisierung hat die Tendenz, sich immer mehr auszubreiten – und niemand gebietet Einhalt.

Keine Partei, kein Parlamentarier, kein Smartvote befasst sich mit der Frage, ob Ressourcen besser genutzt werden können, die heute im bürokratischen Alltagswahnsinn aufgebaut sind. 

Niemand macht sich Gedanken darüber, was wir tatsächlich brauchen, um unser Leben zu leben, um unsere Arbeit gut zu tun.

Der alltägliche Bürokratisierungswahn hat uns im Griff und viele stören sich daran – aber niemand scheint die Kraft dafür aufzubringen, etwas dagegen zu tun. Scheinbar profitieren halt auch viele davon, dass wir in einem  undurchschaubaren Dschungel von Verordnungen, Reglementen, Kontrollen leben. 

Für mich macht es keinen Sinn, Vertreter zu wählen, die letztendlich gar keine Macht haben gegenüber einem System, das sich selber nährt und das auch noch reichlich.