Schlicht unbrauchbar! - demenzjournal.com

Madame Malevizia

Schlicht unbrauchbar!

Deshalb funktioniert unser Gesundheitswesen nicht (mehr): Weil zu viele Akteure da sind, welchen es nur um eines geht: Den eigenen Profit, sprich die Kohle, die sich herausholen lässt. Bild PD

Die hohen Krankenkassenprämien sind zurzeit Thema im Parlament. Beinahe jede Partei hat dazu ihre eigenen Massnahmen definiert. Neben dem Klimawandel scheint dies eines der zentralen Themen im Wahljahr 2019 zu sein. So weit so gut.

Meine Lieben, eigentlich müsste mich das freuen, denn es geht endlich mal ums Gesundheitswesen.  Allerdings löst die Debatte in mir Ärger aus. Sämtliche Ideen dieser Damen und Herren Parlamentarier sind schlicht unbrauchbar. Um das zu bemerken ist kein Hochschulstudium nötig, es reicht der gesunde Menschenverstand.

Auf zwei dieser diskutierten und in einem Fall bereits beschlossenen Massnahmen möchte ich näher eingehen. Beide wurden meines Wissens von der FDP lanciert.

Erste Idee: Kleinere Eingriffe sollen selbst bezahlt werden

Schon in einem früheren Blogbeitrag habe ich diese Idee als absoluten Mumpitz bezeichnet und ich bleibe auch jetzt dabei.

Was ist ein kleinerer Eingriff? Wer definiert das? Der Arzt? Die Krankenkasse? Das Parlament? Und was ist mit jenen, die sich diesen «kleineren» Eingriff nicht leisten können?

Fast jedes kleinere gesundheitliche Problem wird irgendwann zu einer grossen, unter Umständen lebensbedrohlichen Komplikation.

Nehmen wir das Beispiel einer Apendizitis (Blinddarmentzüdung) ein eher kleiner Eingriff, der unter Umständen zu diesen kleineren Eingriffen gehören könnte. Kann der Betroffene dieses Geld nicht aufbringen, wird er sich diesem Eingriff auch nicht unterziehen.

Madame Malevizia

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Die Folge davon ist ein perforierter Appendix (geplatzer Blinddarm), die Entzündung greift auf das Peritoneum (das Bauchfell) über, was eine Sepsis (Blutvergiftung) auslösen kann, der Patient wäre also in absoluter Lebensgefahr.

Die Operation dauert statt ca. 45 Minuten nun 2 Stunden, anstatt einer Lapraskopie muss ein grosser Bauchschnitt gemacht werden, da die gesamte Bauchhöhle ausgewaschen werden muss. Der Patient benötigt über Wochen Antibiotika und muss länger im Spital bleiben.

Dieses Szenario müsste dann von der Krankenkasse übernommen werden, da hier von keinem «kleinen Eingriff» mehr gesprochen werden kann.

Ein weiteres Beispiel: Karpaltunnelsyndrom (abdrücken des Mittelarmnerves durch Verengung des Karpaltunnels). Die notwendige Operation, um den Karpaltunnel zu erweitern ist ein kleiner Eingriff. Wird er jedoch nicht gemacht, weil sich der Betroffene das nicht leisten kann, wird das Problem grösser.

Stirbt diese Mittelarmnerv nämlich ab, hat der Betroffene kein Gefühl mehr in den Fingern, kann sie vielleicht auch nicht mehr bewegen. Dadurch wird er schnell arbeitsunfähig und muss sich schliesslich bei der Invalidenversicherung  anmelden. Eine solche Strategie wird keinen Franken einsparen.

Zweite Idee (die bereits durchs Parlament ist): Die Franchise automatisch erhöhen

Damit soll die Eigenverantwortung der Versicherten erhöht werden. Nicht wegen jedem Bobo gleich zum Arzt rennen, lautet hier die Devise. Das ist ja schön und gut. Das Ganze hat nur einen ganz entscheidenden Haken: Als Arbeitnehmer muss ich spätestens nach drei Krankheitstagen meinem Arbeitgeber ein Arztzeugnis vorlegen.

Also, auch wenn ich weiss (und ich bin sicher, ein Grossteil der Bevölkerung weiss dies ebenfalls), dass ich eine Grippe habe und diese ca. eine Woche dauern wird, muss ich mich ins Wartezimmer setzen, meine Bakterien oder Viren dort verschleudern, damit mir ein Arzt bestätigen kann, was ich schon lange weiss: Ich habe die Grippe und gehöre ins Bett.

Da ich sonst gesund bin, werde ich nach einer Woche auch wieder gesund sein. Und zum Dessert darf ich dann diesen Arztbesuch auch noch selbst bezahlen.

Bei der automatischen Erhöhung der Franchisen wurde nur eine Perspektive eingenommen: Die der Krankenkassen.

Denn keiner fragt sich auch nur eine Sekunde, was ist, wenn jemand diese Kosten nicht bezahlen kann. Wird ihm dann die Behandlung verweigert? Auch dieser Vorschlag hat deutlich aus den Augen verloren, worum es im Gesundheitswesen eigentlich gehen sollte: den kranken oder versehrten Menschen.

Dieser Mensch gehört in den Mittelpunkt gestellt. Darum muss es bei jeder Diskussion um das Gesundheitswesen gehen. 

Wenn wir wirklich wollen, dass unser Gesundheitswesen funktioniert, müssen wir das unterbinden. Dazu braucht es den Mut zur Revolution. Nicht zum kämpfen und siegen. Sondern um sich Hinzusetzen, die Sache auseinanderzunehmen und genau hinzuschauen wo, wer, wofür Geld bekommt und Geld ausgibt.

Wenn wir das wissen, können wir anfangen es so zu verteilen, dass ein Gesundheitswesen entstehen kann, das den kranken oder versehrten Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Eure Madame Malevizia

«Es macht Menschen krank, wenn sie mit ihren Problemen allein gelassen werden. Deshalb ist es gut, dass es demenzjournal.com gibt.»

Gerald Hüther, Hirnforscher und Bestsellerautor

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