Unterstützung mitten im Quartier - demenzjournal.com

Siedlungs- und Wohnassistenz

Unterstützung mitten im Quartier

Rebekka Casillo, eine der drei Siedlungs- und Wohnassistentinnen der Gemeinde Horgen, besucht eine Seniorin im Quartier. Age-Stiftung, Ursula Meisser

Mit dem neuartigen Konzept der Siedlungs- und Wohnassistenz fördert Horgen das selbstständige Wohnen im Alter. Aktuell sind drei Siedlungs- und Wohnassistentinnen für die rund 4000 Senioren in der Zürichsee-Gemeinde unterwegs. Mit Erfolg, wie sich zeigt.

Eine Tochter macht sich Sorgen um ihre an Demenz erkrankte Mutter, die noch allein in einer kleinen Wohnung wohnt. Die Selbstständigkeit lässt nach, der Betreuungsbedarf steigt und die berufstätige Tochter weiss sich nicht mehr zu helfen.

Sie wendet sich an die Siedlungs- und Wohnassistenz von Horgen im Kanton Zürich, die in solchen Fällen Unterstützungsnetzwerke für den Alltag organisiert. In erster Linie wird Hilfe durch das Umfeld, Nachbarn und Freiwillige, nutzbar gemacht.

«Wir klingeln unter Umständen bei den Nachbarn und fragen, ob sie es sich vorstellen könnten für die betreffende Person einen Dienst zu übernehmen», erklärt Rebekka Casillo, eine der drei Siedlungs- und Wohnassistentinnen der Gemeinde Horgen. Auch auf ein verlässliches Netz von Freiwilligen könne man in solchen Fällen zurückgreifen.

Die Siedlungs- und Wohnassistenz startete als zweijähriges Pilotprojekt und ist seit 2014 fester Bestandteil des Horgener Alterskonzepts.

In den beiden Alterssiedlungen der Gemeinde hatte es bereits früher eine Siedlungsassistenz in Form einer Ansprechperson gegeben. Karl Conte, Abteilungsleiter Alter und Gesundheit, treibt seit längerem die integrierte Versorgung weiter.

Im Rahmen dieser Strategie sollte auch das Angebot der Siedlungs- und Wohnassistenz ausgeweitet werden. Auch die noch selbstständig zu Hause wohnenden älteren Leute sollten davon profitieren können.

Ambulant vor Stationär

Es kam zu einem Pilotprojekt, das in der Alterssiedlung Baumgärtlihof und dem umliegenden Quartier durchgeführt wurde. «Die Rückmeldungen dazu waren sehr positiv», sagt Rebekka Casillo. Das zeigte eine im Quartier durchgeführte Umfrage.

Deshalb, und weil die Gemeinde Horgen den Grundsatz «ambulant vor stationär» langfristig umsetzen möchte, wurde die Siedlungs- und Wohnassistenz definitiv eingeführt. Die drei Siedlungs- und Wohnassistentinnen gehören zum Beratungsteam der Anlaufstelle Alter und Gesundheit, zu der auch eine Gesundheitsfachfrau und ein Sozialarbeiter zählen.

Das Team teilt sich neue Fälle nach inhaltlichen Schwerpunkten untereinander auf. Die Siedlungs- und Wohnassistenz berät zu Anliegen, in denen es primär ums Wohnen, die Nachbarschaft, die Alltagshilfe oder das Quartier geht.

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Das Konzept ist seit der Pilotphase überarbeitet worden, der Aspekt der Quartierarbeit wurde verstärkt. «Das Hinausgehen in die Quartiere macht fast die Hälfte unserer Arbeitszeit aus», erläutert Rebekka Casillo. Man habe viel Zeit aufgewendet, um die Bedürfnisse in den einzelnen Quartieren zu analysieren.

«Wir wollten wissen, wie das Leben dort funktioniert, wenn man älter wird; wie der Zusammenhalt ist und ob es Siedlungskommissionen, Quartiervereine oder ähnliches gibt», so Casillo.

Nicht alle Quartiere ticken gleich.

Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit Institutionen wie Pro Senectute, der Kirche oder der Nachbarschaftshilfe intensiviert worden, auch mithilfe der sozialen Medien, die aktiv gepflegt werden. «So können wir Projekte gemeinsam auf die Beine stellen und Doppelspurigkeiten vermeiden», sagt Casillo.

Vielleicht wird die Siedlungs- und Wohnassistenz in Zukunft noch weiter ausgebaut. Denn dort, wo das in die Jahre gekommene Altersheim abgerissen und neu gebaut wird, entstehen bis zu 180 neue Wohnungen, ein guter Teil davon ist für Senioren reserviert. Die Mietpreise sollen moderat oder günstig sein und es ist eine zusätzliche Siedlungsassistenz geplant.

«Ein privater Investor, der eine Alterssiedlung bauen möchte, hat die Gemeinde ebenfalls um Unterstützung durch die Siedlungs- und Wohnassistenz gebeten», fügt Casillo hinzu. Wie genau diese Zusammenarbeit organisiert wird, ist im Moment noch Gegenstand von Verhandlungen.

Spezielle Angebote für Menschen mit Demenz

Die Siedlungs- und Wohnassistenz unterstützt im üblichen Rahmen auch Menschen mit Demenz und deren Angehörige. Eine Expertin für Gesundheitsfragen, ebenfalls Teil des Teams, hat für diese Zielgruppe spezifische Angebote entwickelt. Sie leitet im Alters- und Begegnungszentrum Baumgärtlihof eine Angehörigengruppe und bietet während der Treffen einen Betreuungsdienst zur Entlastung der Angehörigen an.

«Für uns ist es eine grosse Unterstützung, jemand wie sie im Team zu haben», sagt Casillo. So könne man als Siedlungs- und Wohnassistentin einen Fall auch mal an die Fachperson weitergeben, wenn man an seine Grenzen stösst.

Bei einem Beratungsgespräch.Ursula Meisser

Rebekka Casillo hat die Erfahrung gemacht, dass es die Siedlungs- und Wohnassistenz Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in der Regel ermöglicht, länger zu Hause zu bleiben. Das funktioniere vor allem durch die Entlastung und die Unterstützung der Angehörigen. «Wir haben in Horgen gute Tagesbetreuungsplätze, die wir ihnen empfehlen, damit sie an einzelnen Tagen ein bisschen zur Ruhe kommen», sagt Casillo.

Die Aufgaben der Siedlungs- und Wohnassistentinnen sind weitreichend und umfassend. «Wir sind Generalistinnen, wir müssen kreative Lösungen finden, spontan, pragmatisch und unkompliziert sein», sagt Casillo.

Immer wieder gerieten sie in Situationen, die es noch nie gegeben habe und sie müssten oft rasch reagieren können.

«Inzwischen haben wir viele Erfahrungen gesammelt und gegenseitig unsere Stärken und Schwächen kennengelernt.»

So könne man eine Betreuung auch mal abtauschen, wenn das Sinn mache.

Es sei wichtig, dass ihre Tätigkeit noch bekannter werde. Es solle selbstverständlich werden, dass man sich bei Schwierigkeiten oder Auffälligkeiten im Quartier frühzeitig an die Siedlungs- und Wohnassistenz wende.

«Langsam etablieren wir uns, aber es gibt immer noch einzelne, die uns nicht kennen.» Einen Namen gemacht hat sich die Siedlungs- und Wohnassistenz bereits über die Gemeindegrenzen hinaus. «Wir durften unser Modell bereits in diversen anderen Gemeinden präsentieren», sagt Casillo.


Das macht die Siedlungs- und Wohnassistenz in Horgen


Das Angebot der Siedlungs- und Wohnassistenz richtet sich an alle über 65-Jährigen der Gemeinde sowie an Angehörige und Bezugspersonen. Das Angebot ist kostenlos.
Einzelfall
Die Siedlungs- und Wohnassistenz berät zu Anliegen, in denen es primär ums Wohnen, die Nachbarschaft, die Alltagshilfe und das Quartier geht. Sich sucht aktiv den Kontakt, klärt auf Wunsch bei Hausbesuchen die Lebenssituation ab und organisiert bei Bedarf ein Unterstützungssystem. Sie involviert dafür Bezugspersonen wie Nachbarn, Verwandte oder Freiwillige der Nachbarschaftshilfe und stellt wo nötig den Kontakt zu professionellen Diensten her.
Siedlung
Die Siedlungs- und Wohnassistentinnen haben ihre Büros in einer Alters- und einer Mehrgenerationensiedlung, in denen sie für die Vermietungen zuständig sind. Sie organisieren Gruppentreffen und gemeinsame Aktivitäten und fördern so den Zusammenhalt, den Kontakt und die Vernetzung unter der Mieterschaft, die selbstständig wohnt.
Quartier und Gemeinde
Die Arbeit in den Quartieren ist partizipativ und bezieht Akteure vor Ort mit ein. Sie hat Projektcharakter und kann eine einzelne Siedlung, eine Quartierstrasse oder einen Platz betreffen. Auch kann sie sich an eine spezielle Zielgruppe wenden (z.B. altere Migrantinnen).

Link zu Siedlungs- und Wohnassistentinnen der Gemeinde Horgen.