Corona hat uns nicht nur virologisch heimgesucht. Das Virus hat Politik, Wirtschaft, Kultur und auch unsere Psyche und Wertvorstellungen auf den Prüfstand gestellt. Speziell alte Menschen wurden von der Krise mit voller Wucht erfasst: Sie waren eine «Hochrisikogruppe», die es zu schützen galt. Viele alte Menschen lebten mehrere Monate in totaler Isolation.

Umgekehrt galt es die anderen vor den alten Menschen zu schützen. Zum Beispiel, indem man sie im Falle einer Infektion und Erkrankung nicht im Spital behandeln durfte (so die zeitweilige Weisung für Bewohner von Altersheimen). Zu welchem dieser beiden Zwecke Spitex-Dienste und Tagesstätten heruntergefahren oder ganz eingestellt worden sind, ist nicht ganz klar.

«Wie in einem Brennglas macht die Corona-Krise zentrale Themen der Sorge für und mit Menschen im Alter bzw. mit Demenz sichtbar, die oft schon vorher problematisch waren. Sie zeigt aber auch neue Wege auf», heisst es zur Einleitung des «Nachdenk- und Diskussionspapiers».

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Veröffentlicht hat es der Verbund «Demenz vernetzen», dem zwölf Organisationen aus Österreich und eine aus Belgien angehören; darunter das Rote Kreuz, das Kardinal König Haus, Promenz und die Plattform demenzfreundliches Wien. Entstanden ist das Papier im Rahmen eines regelmässigen Austausches von über 40 Fachpersonen, der zwischen Ende März und Mitte Mai stattgefunden hat.

Die Verfasser kritisieren vor allem, während der Krise sei die Vorstellung von Gesundheit einseitig von einer virologischen Sicht geprägt gewesen. Sie würdigen zwar den Einsatz von Politik und Bevölkerung zur Bekämpfung der Ausbreitung.

Doch sie fragen: «Warum sind Menschen über 65 plötzlich pauschal, fremddefiniert und über die akute Phase der Massnahmen hinaus Teil einer Risikogruppe? … Wir sehen die Gefahr einer systematischen Ausgrenzung und Diskriminierung.

Wir plädieren für eine ganzheitliche Perspektive, denn der Mensch ist so viel mehr als ein Risiko.

Und: Soziale Isolation und Einsamkeit können ebenfalls krank machen, zu Leid/en führen und das Sterblichkeitsrisiko erhöhen.» Weiter heisst es in dem Nachdenkpapier, die Corona-Krise habe vor Augen geführt, wie fragil das österreichische Betreuungs- und Pflegesystem sei.

Die Betreuung und Pflege sei noch mehr zur Privatangelegenheit geworden. Dies gehe mit einer zunehmenden psychischen und physischen Belastung für Menschen im Alter und deren Angehörigen einher.

Es gehe darum, gemeinsam einen «lebbaren» Umgang mit dem Risiko einer Infektion zu finden, der auf einem ganzheitlichen Menschenbild und einem ebensolchen Gesundheitsverständnis beruht. Dafür brauche es den Dialog. Das Nachdenkpapier soll nun aus diesem Dialog hinaus laufend ergänzt werden.

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