Mangel, Mauerbau und FKK in der DDR - demenzjournal.com

Geschichte

Mangel, Mauerbau und FKK in der DDR

DDR-Bürgerinnen und Bürger sollten rundum in die Ideologie des Staates eingebunden sein. PD

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in Ostdeutschland eine sozialistische Republik nach sowjetischem Vorbild. Das Eingebundensein in eine Planwirtschaft, eine kleinbürgerliche Ordnung und ein Rückzug ins Private prägten die Mentalität der Menschen in der DDR.

Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) politische und soziale Schritte eingeleitet worden, um aus diesem Teil Deutschlands eine sozialistische Republik nach sowjetischem Vorbild zu gestalten. Grossgrundbesitzer und Fabriken wurden enteignet, viele landwirtschaftliche Nutzflächen zu kolchoseartigen LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) zusammengefasst. Statt überschaubarer Äcker prägten nun riesige Felder, die mit grossen Maschinen bewirtschaftet wurden, weite Teile der Landschaft.

Man war ein Rädchen im Getriebe des Staates, der 1949 mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als sozialistisches Gegenmodell zur BRD immer stärker in das Privatleben der Menschen eingriff. Das Eingebundensein in eine Planwirtschaft, die Eigenverantwortung minimierte, prägte die Mentalität der Menschen. 

Obwohl die innerdeutsche Grenze schon seit 1952 gesperrt war und streng bewacht wurde, konnten DDR-Bürgerinnen und Bürger bis 1961 mehr oder weniger ungehindert in Berlin in die «Westzone», also in die BRD, reisen.

Immer mehr Menschen flohen in den Westen, in Wohlstand und Freiheit, obwohl diese «Republikflucht» unter Strafe stand.

Die DDR-Regierung reagierte mit der totalen Abschottung und liess am 13. August 1961 die Verkehrswege zwischen Ost und West abriegeln und eine Mauer mitten durch Berlin bauen. Die Grenzen waren dicht, Strassenzüge wurden zerrissen, Familien getrennt. Deutschland war endgültig geteilt. Erst im September 1964 durften Westbürger mit Passierscheinen wieder Verwandte im Osten besuchen.

Vor allem Menschen aus der Kunst- und Kulturszene kämpften in der DDR bis in die 1970er Jahre hinein für eine Veränderung. Ihr Engagement brachte viele ins Gefängnis. Zugleich gab es einen Rückzug der Bevölkerung ins Private.

Todesstreifen und Wachturm entlang der Mauer, 1990Wikimedia, Ralf Roletschek

Organisation, Struktur und Reglement

DDR-Bürgerinnen und Bürger sollten rundum in die Ideologie des Staates eingebunden sein. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die Familien, deren Erziehung, deren Werte und deren Freizeitverhalten. Stellvertretend dafür kann die 1947 gegründete Freie Deutsche Jugend (FDJ) stehen. Sie war die einzige staatlich anerkannte und geförderte Massenorganisation, der junge Menschen quasi angehören mussten.

Jugendliche sollten hier zu «klassenbewussten Sozialisten» erzogen werden:

«Von der 1. bis zur 3. Klasse war man ein Jungpionier (. . .) Von der 4. bis zur 7. Klasse war man dann ein Thälmannpionier und man trug ein weisses Hemd (. . .) mit einem roten Halstuch. (. . .) Diese beiden Organisationen (Jung- und Thälmannpioniere) wurden von der FDJ geführt. Ab Klasse 8 wurde man dann ein FDJler. Dann trug man ein blaues Hemd mit einem Emblem drauf.»1

Die FDJ organisierte und strukturierte die offizielle Jugendkultur des Staates mit Jugendklubs, Freizeitangeboten oder Jugendreisen.

Die Politik des Staates wurde von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) geleitet. Freie Wahlen und freie politische Mitbestimmung gab es nicht. Politische Gegner oder Menschen, die in der Kirche aktiv waren, wurden ausgegrenzt oder eingesperrt. Helga Brachmann, Mutter des Musikers und Systemkritikers Christian (Kuno) Kunert, der Mitte der 1970er Jahre verhaftet und in die BRD abgeschoben wurde, berichtete:

«Neulich hat er vor Publikum auf dem Podium gesagt: ‹Ein Staat, der mich nicht hinreisen lässt dorthin, wo ich will, das ist nicht mein Vaterland oder meine Heimat!› – Ich habe so Angst! Oh, das konnte ich verstehen, wer 1975 in der DDR gelebt hat, wird es nachfühlen. Ich war besonders aufgewühlt und besorgt, hatte ich doch erst vor zwei Jahren Befragungen, Verhöre und eine Hausdurchsuchung hinter mir, weil meine jüngste Tochter illegal durch den ‹Eisernen Vorhang› geschlüpft war!»2

Man war sich des Überwachungssystems durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, Stasi genannt) bewusst und war vorsichtig, was man wem sagte. Misstrauen gehörte zum Lebensgefühl vieler DDR-Bürger. Das Ausmass des engmaschigen Überwachungssystems der Stasi, mit seinen IMs (informellen Mitarbeitern, Spitzeln, von denen etliche durch Erpressung zu diesen Diensten gezwungen wurden) ist erst nach dem Mauerfall 1989 wirklich bekannt geworden.

Obwohl im sozialistischen Staat die Genossen alle «gleich» sein sollten, gab es deutliche Hierarchien, an deren Spitze Parteifunktionäre standen.

Über diese Ungleichheit wurde hinter vorgehaltener Hand gern gewitzelt. Überhaupt entwickelte sich in der DDR ein schwarzer Humor, der die Mängel der Planwirtschaft, das politische System und die Propaganda auf die Schippe nahm.

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Humor und Heimlichkeit, Mangel und Organisationstalent (wegen Waren- und Materialmangel versuchte man, Dinge über unterschiedliche Kanäle zu organisieren) prägten die Erfahrungswelten der Menschen und schufen ein spezielles Zusammengehörigkeitsgefühl. Das galt für die Linientreuen und Parteifunktionäre ebenso wie für die Kritischen oder Gleichgültigen.

Frauen, Kinder und Familie 

In der DDR wurde früh geheiratet, denn als Ehepaar (vor allem mit Kindern) hatte man Anrecht auf Wohnraum und konnte von zuhause ausziehen. Junge Eltern waren keine Seltenheit. Auch durch die geförderte und geforderte Berufstätigkeit der Frauen haben sich die Geschlechterbilder gewandelt.

Bis zur Wiedervereinigung waren über 90 Prozent der Frauen berufstätig. Pro Monat hatten berufstätige Mütter einen Haushaltstag frei. Frauen entwickelten vielfach ein stärkeres Selbstbewusstsein, dennoch blieb Hausarbeit weitgehend Frauenarbeit. 

Bis Ende der 1950er Jahre zog man Kleinkinder überwiegend in der Grossfamilie oder in Wocheneinrichtungen gross, bei denen man die Kinder nur am Wochenende daheim hatte. Dann griff das flächendeckende Netz an Ganztages-Betreuungseinrichtungen. Auch in den Ferien gab es staatlich unterstütze Kinderbetreuung. «So konnte ein Kind für einen minimalen Unkostenbeitrag quasi von der 6. Lebenswoche an in gesellschaftlichen Institutionen aufwachsen und eine öffentliche Erziehung erhalten.»3 

Seit 1959 existierte mit der Polytechnischen Oberschule (POS) eine einheitliche Schulform von der 1. bis zur 10. Klasse. Das Abitur konnte man an der Erweiterten Oberschule (EOS) erwerben oder in der technisch-naturwissenschaftlich orientierten «Berufsausbildung mit Abitur». Man lernte Russisch, Englisch war Wahlfach. Ab der 7. Klasse hatte man das Fach UTP – Unterrichtstag in der Produktion (später PA – Produktive Arbeit).

«In der Schule lernten wir auch die Grundlagen des sozialistischen Umgangs miteinander, einschliesslich des richtigen Grüssens. Jeden Morgen, wenn der Lehrer den Klassenraum betrat, mussten wir aufstehen. Er rief dann ‹Seid bereit!› worauf wir mit ‹Immer bereit!› antworteten».4

Schul- und Berufsmöglichkeiten hingen auch von der politischen Anpassungsbereitschaft ab. 

Wirtschaft, Mangel und Konsum

Die Währungsreform führte 1948 die Mark (Ost) ein. Lebensmittel blieben allerdings bis in die späten 1950er Jahre hinein rationiert, das heisst, man kaufte mit Marken auf Zuteilung ein. 

Eine zentrale Erfahrung war der Umgang mit dem stetigen Mangel an Waren und Material. Während im Westen das Wirtschaftswunder boomte, gab es in der DDR nach der Beseitigung der Kriegsschäden erst verzögert einen wirtschaftlichen Aufschwung. Stellvertretend hierfür können die beiden Automodelle Wartburg und Trabant stehen. Der überwiegend aus Kunststoff bestehende «Trabi» war quasi der Volkswagen der DDR – jedoch erst nach mehrjährigen Wartezeiten zu haben. 

Inzwischen ist der «Trabi» ein Kultmobil.PD

Nach 1970 versuchte die DDR-Regierung, die Konsumgüterindustrie anzukurbeln.

«Unter Erich -Honecker (. . .) hatte die DDR einen ziemlichen Konsumsprung gemacht. Es gab die Exquisitläden und spezielle Läden für Jugendmode, auch mit vielen westlichen Sachen. Dann die Delikat-Läden, wo man Westgüter wie Kaffee oder Seife für unglaublich viel DDR-Geld kaufen konnte. Überall standen Schlangen, die Leute kauften und die Gespräche waren von Beschaffungsfragen dominiert.»5

 Die Masse kaufte allerdings in den Konsum-Läden ein.

In den 1970er Jahren kam es zu einer Konsumgüterkrise. Luxuswaren – vor allem Kaffee – waren Mangelware. Allein 1979 wurden über 9 000 Tonnen Kaffee von West nach Ost verschickt! Er gehörte neben Nylonstrümpfen zu den klassischen Beigaben der West-Päckchen in die DDR. Absurderweise wurden die in der BRD günstig zu kaufenden Nylonstrümpfe in der DDR produziert:

«Und zu Weihnachten hat uns dann die Westverwandtschaft die Nylonstrümpfe geschickt, die wir hier im Werk billig hergestellt haben, aber nicht kaufen konnten. Das war schon ein dummes Gefühl».

Zumindest nach aussen zeigten die meisten Menschen eine starke Anpassung, was auch ein Gefühl der Konformität oder Uniformität nach sich zog.

Beim Einkommen waren die Unterschiede längst nicht so gravierend wie in der BRD. Der Staat subventionierte viele Seiten des täglichen Lebens. Auch aus Mangel an entsprechenden Waren konnte man die Unterschiede nicht so deutlich an Statussymbolen festmachen wie im Westen. In ihrem Erscheinungsbild sah die Gesellschaft deshalb «gleicher» aus. Unterscheiden konnte man sich zum Beispiel durch Westwaren wie Jeans oder Schallplatten. Bei der Zuteilung bestimmter Güter waren neben der politischen Einstellung auch Beziehungen und der Zufall wichtig. 

«Es macht Menschen krank, wenn sie mit ihren Problemen allein gelassen werden. Deshalb ist es gut, dass es demenzjournal.com gibt.»

Gerald Hüther, Hirnforscher und Bestsellerautor

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Mit Westdevisen («blaue Fliesen» genannt) konnte man in Intershops einkaufen, die seltene Güter für höchste Ansprüche hatten. Delikat-Läden boten für enorme Preisaufschläge Luxus und besondere Waren wie Kakao-Pulver oder Dosen-Ananas an. Ausserdem gab es unter der Hand sogenannte «Bückware», Waren, die unregelmässig und meist in geringer Stückzahl auftauchte, die es quasi nur unter dem Ladentisch gab.

Die Freizeit wurde häufig zur Selbstversorgung aus dem Garten oder der Datsche (Garten- oder Wochenendhaus mit Grundstück) genutzt. Es gab eine verbreitete Heimwerkerkultur. Provisorien und selbstgebaute Hilfskonstrukte prägten den Alltag und setzten eine Kreativität frei, die zu selbstironischen Witzen Anlass gab. 

Religion, Leben und Wohnen

Die DDR entstand auf mehrheitlich evangelischem Gebiet. Die christlichen Kirchen galten im realsozialistischen Staat nicht viel. Es war ab Mitte der 1950er Jahre fast schon ein Akt des Widerstandes, sich kirchlich zu betätigen. Nicht von ungefähr konnte die Kirche eine führende Rolle in der Bürgerbewegung der DDR einnehmen, die 1989 zum Mauerfall und zur sogenannten Wiedervereinigung führte.

Die Konfirmation wurde offiziell durch die staatliche «Jugendweihe» ersetzt, die ähnlich wie eine Konfirmation im Familienkreis gefeiert wurde. Allerdings bestand vor allem auf dem Land die Konfirmation parallel dazu weiter. 

Kriegsschäden und zuwandernde Flüchtlinge hatten auch in der sowjetischen Besatzungszone für Wohnraumnot und Enge gesorgt. Die Hilfsmassnahmen glichen denen im Westen, wenngleich es bald weniger zu verteilen gab als dort.

«Wir (. . .) wurden von Verwandten aufgenommen, die selbst nur zwei schräge Kammern unterm Dach bewohnten. In diesen zwei Mansarden wohnten wir vier Monate mit neun Personen. Geschlafen wurde auf Stroh auf dem Fussboden, und beim Essen wurde sich abgewechselt. (. . .) Essen war sehr knapp, wir waren manchmal froh, wenn man beim Pferdeschlächter was ergattern konnte.»7

Der Bau von Einfamilienhäusern war wegen fehlender Baumaterialien sehr eingeschränkt, der Wohnungsbau war staatlich gelenkt. Viele Menschen wohnten in «Plattenbauten», schnell und serienmässig gefertigten Hochhäusern. Je nach Anzahl der Personen im Haushalt wurden Wohnraumgrössen zugeteilt. Man arrangierte sich auf engem Raum:

«Ein Problem gab es überall wo Plattenbauten fertig wurden (. . .). Die Häuser wurden sehr schnell gebaut. Was immer hinterherhinkte war der Bau der Strassen und Wege. Da es ja mal regnen konnte, gehörten deshalb Gummistiefel beim Einzug in die neue Wohnung zur Grundausstattung. (. . .) Meine Frau und ich erhielten, da ohne Kinder, eine 21/2-Zimmerwohnung mit 60 m2 Wohnfläche. In dieser wurden dann später auch unsere zwei Kinder mit gross.»8

Ein Mann, der 1976 eine Altbauwohnung bezog, erinnert sich: «Wie die Einkommen in der DDR waren auch die Mieten staatlich festgelegt. (. . .) der Mietpreis betrug (. . .) 53,25 Mark (mit allen Nebenkosten) Diese Miete entsprach etwa 5,0 Prozent unseres Nettoeinkommens.»9

Private Telefonanschlüsse in den Wohnungen waren lange eine Seltenheit. Gespräche in den Westen mussten angemeldet werden, und wenn man von West nach Ost telefonierte, war man sicher, dass man abgehört wurde. So blieben auch fernmündliche Kontakte mit Freunden, Verwandten oder Kollegen im Westen schwierig bis unmöglich. 

Urlaub, Reisen und Körperkultur

Urlaub machte man im eigenen Land oder im benachbarten osteuropäischen Ausland. Wegen der Beschränkungen war das Reisen stets ein Thema und der Staat versuchte, Erholung durch Urlaub zu unterstützen.

«Die bereits in den 50er Jahren eingerichteten FDGB-Reisen waren immer sehr gefragt, da sie sehr preiswert waren und man sich in der Regel um nichts kümmern musste. Sie standen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung und wir kamen nur zweimal in den Genuss einer solchen Reise. Wir bewarben uns allerdings auch kaum, da unsere Familie zu den Besserverdienenden gehörte und vor allem Arbeiterfamilien vorrangig berücksichtigt wurden. (. . .) Bei der Auswahl wurden die Leistungen im Betrieb und auf gesellschaftlichem Gebiet sowie soziale Gesichtspunkte berücksichtigt.»10

Eine Besonderheit der DDR war die grosse Dichte an FKK-Angeboten.18 Über 40 offizielle FKK -Badestrände gab es. Nacktbaden war eine Selbstverständlichkeit und beliebtes Urlaubsvergnügen. Spätere Interpretationen schwanken zwischen Vergnügen, «Gruppenzwang» und «Ausdruck des Freiheitsdrangs einer eingeschlossenen Gesellschaft».

Körperkultur wurde insgesamt freier gehandhabt. Die Sexualmoral war offener als in der BRD. Die Anti-Baby-Pille gab es kostenlos. Anders als im umkämpften Paragraph 218, der Schwangerschaftsabbrüche in der BRD unter Strafe stellte, war es in der DDR nicht verboten, abzutreiben.

Die Freikörperkultur polarisierte.Wikimedia

Geschmack des Ostens: Esskultur

Die Esskultur der DDR wurde von Einflüssen aus Osteuropa, dem eigenen Garten und dem zuweilen recht eingeschränkten Lebensmittelangebot bestimmt. Die aus der russischen Küche übernommene Soljanka (ein Wurst- und Schinken-Eintopf) ist ebenso typisch wie ungarisches Lätscho (Paprika-Tomaten-Mischgemüse) oder der Broiler (Grillhähnchen). Auch die DDR pflegte im Kleinen regionale Küchen.

Das Essen zuhause orientierte sich an den Koch- und Essgewohnheiten der Grosseltern in der Vorkriegszeit, gemischt mit sehr erfindungsreichen Eigenkreationen. 

«Und damit sind wir auch bei der in DDR-Gaststätten üblichen Küche. Das Spektrum der Vorsuppen erstreckte sich über klare Brühe mit Einlage (drei Erbsen), Gulaschsuppe, Ochsenschwanz-Suppe und Soljanka. (. . .) Wesentlich armseliger war es um das Salatangebot bestellt (. . .) Bei den Hauptgerichten hatte sich eine gewisse Eintönigkeit breit gemacht, Krönung war (. . .) «Steak a four» (Schweinesteak mit feinem Würzfleisch und Käse überbacken)(. . .) das durfte auf keiner Speisekarte fehlen. Bei Gemüse war der Standard auf Rotkraut, Weisskraut, Möhren und Erbsen, eventuell auch einmal Rosenkohl festgelegt. Zucchini und Chicoree haben wir im Garten selbst angebaut, in den Gaststätten gab es das nicht.»11

Weitgehend dominierte der Geschmack der Hausmannskost, geleitet vom jeweiligen Warenangebot. 

Populär- und Leitkultur

Obwohl es viele Berührungspunkte mit dem Westen gab und man sich in Stil und Ästhetik «nach Drüben» orientierte, war die DDR doch von einer eigenen Kultur geprägt, es hatte sich ein eigener Geschmack entwickelt. Zumindest im äusseren Erscheinungsbild war die DDR weniger bunt als die BRD. «Das unmittelbar von der ‹Strassenseite› nicht sichtbare Leben war bunter, als immer behauptet wird, wenngleich die Differenz von buntem Innen und grauem Aussen für alle spürbar war.»12 

Es gab zwar weniger Wahlmöglichkeiten in jeder Hinsicht, aber mehr soziale Nähe. 

Mit der Sowjetunion und dem Ostblock bestand ein kultureller Austausch. In den 1960er Jahren hatte zunächst eine leichte Öffnung der Beschränkungen stattgefunden und es durfte auf offener Strasse Beatmusik gespielt werden, die eigentlich als «imperialistische» Unart verpönt war. Jedoch schlug Erich Honecker Ende 1965 wieder einen restriktiven Weg ein und wendete sich «gegen Einflüsse der kapitalistischen Unkultur und Unmoral»:13 

«Unsere DDR ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Massstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte»

Erich Honecker

Dieses Bild kleinbürgerlicher Ordnung und Wohlanständigkeit prägte die Gesellschaft.

Fernsehen war Massenmedium: 1960 wurde der millionste Fernseher in der DDR angemeldet. Als DDR-Pendant zum westdeutschen Tatort gab es seit Juni 1971 den beliebten «Polizeiruf 110», es existierte auch eine eigene Sandmännchen-Sendung für Kinder. Viele DDR-Bürger schauten trotz Verbot Westfernsehen, damals nur ARD und ZDF. Die Sendung »Schwarzer Kanal», zeigte vor allem die Schattenseiten des bundesrepublikanischen Lebens (Arbeitslosigkeit, Armut, Drogenkonsum usw.) und verbreitete so die offizielle DDR-Sicht auf den Westen.

Die Teilung Deutschlands in BRD und DDR hat sich lebensweltlich niedergeschlagen, hat eigene Erfahrungswelten, Sachkultur, Werte und Normen ausgeprägt. Alltag und Gesellschaft in Ost und West waren sehr unterschiedlich. Für die allermeisten BRD-Bürger war die DDR wegen der extrem eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten ein fremdes Land – und umgekehrt.


Quellen

1 http://www.lerntippsammlung.de/Das-Leben-in-der-DDR.html

2 Helga Brachmann, Zeitzeugenprojekt der Uni Leipzig

3 Agathe Israel: Frühe Kindheit in der DDR.

4 Zeitzeugenbericht Eik.

5 Ulrike Hänisch: «Jetzt ist eine andere Zeit«. Ostdeutsche Frauen erzählen. Königstein 2005, S. 74.

6 Zeitzeugenbericht Tamia 2: Meine Kindheit in der DDR.

7 Haus der Geschichte Wittenberg: Reinhard Schr. Jg. 1941.

8 Dr. Rolf Beyer, Zeitzeugenprojekt der Uni Leipzig

9 Udo Kruse, Zeitzeugenprojekt der Uni Leipzig

10 Dr. Gerlinde Fellmann, Zeitzeugenprojekt der Uni Leipzig

11 Dr. Klaus-Dieter Schmidt, Zeitzeugenprojekt Uni Leipzig

12 Aussage Thomas Ritter (Soziologe, Naumburg / Dresden)

13 Erich Honecker, Bericht an das Zentralkommitee der SED