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Fragen, die gestellt werden müssen

«Wenn wir die Massnahmen aufheben, kann unser Gesundheitswesen einen Anstieg an Fällen verkraften? Kann diese Frage überhaupt beantwortet werden werden? Ich bin mir nicht sicher, denn sie zieht weitere Fragen nach sich.» Bild PD

Die Pflegehexe hat ihre ersten 12-Stunden-Schichten hinter sich. Körperlich ist sie dabei an ihre Grenzen gestossen, obwohl der befürchtete Ansturm bisher ausgeblieben ist. Kritisch beurteilt sie Stimmen, die bereits wieder eine Lockerung der Massnahmen aus wirtschaftlichen Gründen fordern.

Meine Lieben,

wie geht es Euch? Ich denke oft an Euch und an all das, was Ihr gerade leistet. Meine Gedanken sind bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Tessin und der Westschweiz, die mitten im Covid-19 Sturm stehen. Noch ist es bei mir relativ ruhig. Doch Covid-19 schwebt wie ein Damoklesschwert über uns.

Die Patienten, die zur Zeit bei uns hospitalisiert sind, sind schwer krank. Eine Covid-19 Infektion wäre lebensgefährlich für sie. Für uns Pflegenden bedeutet das, doppelt so aufmerksam zu sein, und dies in einer für uns psychisch und physisch kräftezehrenden Situation.

Letzte Woche habe ich mehrere 12-Stunden-Schichten gearbeitet. Körperlich bin ich klar an meine Grenzen gekommen. Jetzt erhole ich mich. Wie alle, lese und höre ich viel über Covid-19.

Obwohl ich versuche, alles möglichst gut zu filtern, macht es mich manchmal einfach nur kirre. So wie heute.

Unendlich viel prasselt da auf mich ein. Und immer, wenn es mir zu viel wird, schreibe ich meine Gedanken auf. Einige davon möchte ich mit Euch teilen.

Bereits ruft in der Schweiz die erste Partei danach, die von der Regierung getroffenen Covid-19-Massnahmen wieder zu lockern. Der wirtschaftliche Schaden sei sonst zu gross. Man kann das durchaus so sehen. Und die Frage, wieviel wir unseren Unternehmen noch zumuten können, muss gestellt werden.

Doch gleichzeitig müssen wir uns vor Augen führen, was die Gründe für den Lockdown sind. Unser Gesundheitswesen war bereits vor Covid-19 dermassen am Anschlag, dass die zu erwartende Welle von schweren Verläufen dieser Krankheit nicht hätte kompensiert werden können. Was das bedeutet hätte, sehen wir bei unseren italienischen Nachbarn live und in Farbe.

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Deshalb die Frage: Wenn wir die Massnahmen aufheben, kann unser Gesundheitswesen einen Anstieg an Fällen verkraften? Ich bin mir nicht sicher, ob diese Frage überhaupt beantwortet werden kann. Denn sie zieht weitere Fragen nach sich.

Was, wenn wir das jetzt zwar glauben, uns aber irren? Was, wenn wir dann wirklich in einen Engpass kommen? Wer entscheidet dann, wer noch behandelt wird und wer nicht? Ich persönlich möchte diese Entscheidung niemandem zumuten müssen. Doch wenn, dann erwarte ich, dass sich die Politik daran beteiligt und auch die Verantwortung dafür übernimmt.

Viele Fragen, ich weiss, doch wir müssen sie uns stellen, denn auch das ist Solidarität.

Es kann nicht sein, dass das Gesundheitswesen im Stich gelassen wird, weil man die Wirtschaft stärker gewichtet.

Es muss beides dieselbe Aufmerksamkeit erhalten. Jetzt und auch später, wenn alles vorbei ist.

Und gerade jene Partei, die jetzt nur die Wirtschaft im Blick hat, muss sich die Frage gefallen lassen, ob eine ausreichende Anzahl von Pflegefachpersonen wirklich nur «nice to have» ist. Und wenn sie schon einmal dabei sind, können sich jene Politiker auch gleich fragen, ob sich unser Gesundheitswesen qualitativ wirklich an unseren europäischen Nachbarn orientieren soll.

Ich verbleibe mit den besten Wünschen für Euch alle.

Eure Madame Malevizia