«Es ist wichtig, dass wir Alten dranbleiben» - demenzjournal.com

Neuerungen

«Es ist wichtig, dass wir Alten dranbleiben»

Schon immer trennte die Technik die Generationen. Die Jüngeren wurden gross mit der Eisenbahn oder dem Telefon, während die Älteren sich nur langsam an das Teufelszeug gewöhnten ... Bild pixabay

Ständig kommt Neues auf uns zu, immer wieder müssen wir uns Veränderungen stellen. Oder sich ihnen verweigern, wie es unsere Autorin manchmal tut. Sie möchte mitreden dürfen, ohne ständig von Neuerungen überrollt zu werden.

Vor vielen Jahren erzählte mir eine Freundin, wie sie sich freue über die Handschrift ihres Freundes, die von einem fernen Land in ihre Stube ratterte. Dank dem Faxgerät, erklärte sie mir, fühle sie sich ihm eng verbunden.

Blödsinn, murmelte ich, und dachte, dass ich so ein Gerät sicher nie brauchen würde. Doch zunehmend wurde ich als selbständige Kursleiterin um meine Faxnummer gefragt. Ich lege es Ihnen auf den Fax, hiess es, und ich erklärte, dass ich zwar Schreibkurse gebe, aber kein Büro führe. Denn ich wollte einfach kein Faxgerät.

Bis mein Telefon kaputt ging, und es sinnvoll schien, ein kombiniertes Gerät zu kaufen. Von nun an gelangten gemeinsame Abmachungen über Inhalte, Honorar und Spesen mühelos von einem Ort zum anderen, und ich fragte mich bald, wie ich es vorher ohne Faxgerät geschafft hatte.

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Nun gehörte ich dazu, zur Gemeinde der Faxenden, und tat innerlich meiner Freundin Abbitte. Später stapelten sich die unnötig gewordenen Faxgeräte im Brockenhaus, später, als der Computer aufkam. Gegen den wehrte ich mich kaum, war von Anfang an dabei, fand E-Mails schnell sehr praktisch, um Kursunterlagen zu übermitteln, ohne zum Briefkasten gehen zu müssen.

Noch heute gehöre ich dazu, zumindest zu einem Teil der Internetwelt. Allerdings war ich bis heute noch nie auf Twitter, Instagram oder Facebook, bin weder über Whatsapp noch über Signal erreichbar, sondern nur ganz altmodisch über E-Mails und SMS. Denn ich will kein Smartphone. Warum eigentlich? Die Gründe sind diffus, nicht genau zu eruieren.

Geht es um eine Art kindlichen Trotz, um die Verweigerung an sich? Will ich nicht zum Mainstream gehören?

Ich habe schon so viele Geräte, ich will nicht noch eines mehr, auf dem ich E-Mails lesen muss. Aber ob das der wirkliche Grund ist? Ob es einen wirklichen Grund gibt, oder ob es nicht viel eher um eine Mischung von Gefühlen geht, die in ihrer unübersichtlichen Fülle zu meinem Ich will kein Smartphone führen?

Vielleicht wäre die Verweigerung von Whatsapp und ähnlichem schwieriger. Da ich kein Smartphone habe, sind diesbezügliche Diskussionen jeweils schnell beendet. Vielleicht gefalle ich mir in der Rolle der Aussenseiterin, der Einzelgängerin.

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Worum geht es wohl dem Nachbar, der sich weigert, ein Hörgerät zu tragen? Vermutlich will er nicht zu den Hörbehinderten gehören, jedenfalls nicht sichtbar. Ich kann mich gut erinnern, dass auch ich mich am Anfang schwer tat, mich sogar schämte für das Hörgerät. Anders als die Brille schien mir das Hörgerät ein Zeichen von Alter. Wollte ich nicht zu meinem Alter stehen?

Das Hörgerät erwies sich jedoch bald als nützlich. In den verschiedenen Kursräumen mit zum Teil schlechter Akustik verstand ich bei der Namensrunde jeden Namen auf Anhieb, konnte Fragen sofort beantworten, da ich sie beim ersten Mal verstanden hatte. Und das Allerbeste: Mein Gehör verbesserte sich dank dem Gerät.

So wie ein Muskel durch gezieltes Training gestärkt werden kann, trainierte das Hörgerät mein Gehör.

Ich will kein Smartphone, aber aufs Tablet habe ich mich eingelassen, anders als mein Nachbar, der nicht nur das Hörgerät, sondern auch das Tablet verweigert. Mit zittrigen Fingern drückt er die kleinen Tasten seines Smartphones, vertippt sich laufend, liest auf dem Gerät, das er sich dazu dicht vor die Augen halten muss. Unmöglich.

Kauf dir ein Tablet, sage ich, aber er will nicht. Geld kann nicht der Grund sein, es muss etwas Irrationales sein, so wie bei mir mit dem Smartphone. Ich will nicht. Er will nicht. Geht es darum, selbst zu entscheiden? Nicht voll und ganz abhängig zu sein, von dem, was uns vorgegeben wird? Oder hat es mit der eigenen Geschichte zu tun?

Ich wuchs in einer Haushaltung ohne Fernseher und Telefon auf. Ein Telefon gab es im Geschäft meiner Eltern, da brauchte es zu Hause nicht auch noch eines.

Es geht ja auch ohne Fernseher, war ein beliebter Ausspruch meiner Eltern.

Mein Vater liebäugelte zwar mit einem Fernseher, konnte sich aber nicht für ein Modell entscheiden. Schliesslich war die Ausgabe hoch, sie musste wohl überlegt sein. Und irgendwann würden die Geräte billiger, so hoffte mein Vater.

Die Jahre vergingen, ein Entscheid war noch nicht gefällt, da kamen die ersten Farbfernseher auf den Markt. Die gefielen meinem Vater noch besser als die Schwarzweiss-Geräte, doch sie waren auch teurer. Und so begann erneut das Warten, bis die Geräte günstiger würden. Mein Vater verstarb, bevor er sich – und uns – einen Fernseher kaufte.

Dass er sich nicht entscheiden konnte, hatte mit Geld zu tun, doch vielleicht auch mit diffusen Ängsten. Was würde so ein Gerät mit der Familie anrichten? Schliesslich stand damals in Meyers Modeblatt, dass wegen des Fernsehers Eltern und Kinder nicht mehr miteinander reden würden. Und nicht nur das: Es gab auch Sendungen, die keinesfalls für Kinder und Jugendliche geeignet waren.

Mein Vater erfreute sich weiterhin am Radio. Wenn der Kommentator am Sonntag bei Sport und Musik Tooor rief, konnte er sich dieses Tor gut vorstellen, da brauchte er kein Bild dazu.

Erst Jahre später entdeckte ich, dass mir etwas fehlte. Andere Gleichaltrige bezogen sich ganz selbstverständlich auf Sendungen wie Mit Schirm, Charme und Melone, auf Bonanza, Lassie oder Heiteres Beruferaten, Sendungen, zu denen mir die Erinnerungen und die Bilder fehlten. 

Mir fehlte ein Stück gemeinsame Geschichte, ich konnte nicht mitlachen beim Witz über das Schweinderl, weil ich den Zusammenhang nicht verstand.

Im Gegensatz zu den vielen anderen war ich in einer fernsehlosen Welt gross geworden. Erst verschiedene Jubiläums-Wiederholungen, die ich später interessiert verfolgte, füllten meine Lücken teilweise auf.

Schon immer trennte die Technik die Generationen. Die Jüngeren wurden gross mit der Eisenbahn oder dem Telefon, während die Älteren sich nur langsam an das Teufelszeug gewöhnten. Viele alte Menschen aber lassen sich ein auf das Neue, kennen sich bestens aus mit Computer und Co.

Es ist wichtig, dass wir Alten dranbleiben, denn wir bekommen irgendwann einen Pflegeroboter. Das ist nichts anderes als ein Computer auf Rädern.

Der wird mir den Rücken waschen, aufheben, was ich fallen lasse, meinen Blutdruck messen, ein Fertigmenu in die Mikrowelle schieben. Und vielleicht macht er mir sogar eine Tasse Tee. Nicht schlecht. Ob ich lernen werde, damit umzugehen? Dazu müsste ich wohl ein Smartphone kaufen. Gut, einverstanden. Aber erst, wenn es soweit ist.