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Ideen für mehr Selbstfürsorge

Für viele Menschen – so auch für die Autorin Peggy Elfmann – ist das Laufen in der Natur eine Kraftquelle. Bild Peggy Elfmann

Betreuende von Menschen mit Demenz brauchen einen Ausgleich zur zunehmenden Belastung. Peggy Elfmann und Desidera Care haben nun eine «Zeit für mich»-Liste entwickelt.

Wer pflegt oder sich um andere Menschen kümmert, muss besonders auf sich achtgeben. Denn wenn man mit seinen Kräften nicht gut haushaltet, läuft man irgendwann Gefahr, sich zu überfordern, depressiv zu werden oder einen Burnout zu erleben.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung, aber sehe es auch an meinem Papa, der sich kaum Zeit für sich nimmt – und sich dann oft gestresst und unruhig fühlt. Wie kann es gelingen, mehr Selbstfürsorge in den Alltag zu integrieren? Und was ist das überhaupt? 

Gut zu wissen: Häufig kommt es bei der Selbstfürsorge viel mehr auf die kleinen Dinge als grosse Aktivitäten an. Und: Es lohnt sich, nach der wahren Belastung zu suchen – und daran zu arbeiten.

Warum Selbstfürsorge wichtig ist

Entspann doch mal! Nimm dir mal eine Auszeit! Das sagt sich so leicht und ist doch so schwer. Und manchmal bewirken diese Sätze auch das Gegenteil. Weil man denkt, der andere traut einem nichts zu oder erkennt die Leistung, die man vollbringt, nicht an. Weil man sich doch eigentlich stark und kräftig fühlt und nicht als schwach behandelt werden möchte. Weil man die Aufgabe möglichst gut erfüllen möchte…

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Gründe gibt es viele – und doch ist Selbstfürsorge wichtig. In der aktuellen Folge von «Leben, Lieben, Pflegen – Der Podcast zu Demenz und Familie» haben Anja Kälin und ich darüber gesprochen, warum pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz besondere Belastungen erleben. Dabei sind die individuell auch verschieden.

Pflegende Partnerinnen und Partner haben etwa andere Herausforderungen als Töchter oder Söhne. Und natürlich haben wir auch über Strategien für mehr Selbstfürsorge für pflegende Angehörige gesprochen. Auch in meinem Blog ging es jüngst darum: «Die eigenen Kraftquellen pflegen».

Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil ich selber gemerkt habe, dass es nicht gut ist, wenn ich dauerhaft über meine Grenzen gehe. Dabei ist es bei mir weniger die direkte Pflege, sondern vor allem die Traurigkeit, das schlechte Gewissen und die innere Zerrissenheit. 

Ich möchte es allen recht machen und in allen Bereichen hundert Prozent geben. Was für eine Illusion!

Dass ich nach etwas Unmöglichem strebe, ist mir erst vor kurzem klar geworden. Denn ich habe mich dabei vergessen und mir keine Pausen genommen und vor allem meine Bedürfnisse zurückgestellt.

Wo fängt Überlastung an?

Ich erlebe die Last der Pflege vor allem an meinem Papa. Er kümmert sich liebevoll um meine Mama und ist mit grosser Fürsorge für sie da. Mein Papa ist kein Mensch, der jammert. Aber an Worten wie: «Naja, es wird schon anstrengender» merke ich, dass er doch stark gefordert ist.

Ich mache mir grosse Sorgen um ihn und habe Angst, dass er sich überlastet. Wenn ich ihm das sage und mit ihm darüber sprechen möchte, was ihn entlasten kann, sagt er meist: «Ich merke schon, wenn ich nicht mehr kann.»

Aber merkt man das, wenn man überfordert ist? Und hat man dann noch die Kraft, Hilfe zu suchen? Ich möchte ihm gerne zutrauen, dass er es kann.

Aber ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man es doch nicht ganz alleine merkt, wenn es zu viel ist.

Anja Kälin hat in unserem Podcast-Gespräch das schöne Beispiel gebracht von einem Ast: «Die Belastung nimmt schleichend zu, wie bei einem Ast, den man langsam biegt.» Jeder weiss: So ein Ast kann eine Menge tragen, aber irgendwann bricht er – und dann ist er kaputt.

Hinterfragen, was wirklich belastet 

Damit das nicht passiert, braucht es einen Ausgleich für die zunehmende Belastung. Es braucht eine Stütze für den Ast. Wie die aussieht, ist individuell unterschiedlich. Und bevor man sich auf die Suche nach Strategien macht, lohnt es sich, sich auf die Suche nach der wahren Belastung zu begeben. 

Diese Erkenntnis habe ich aus dem letzten Clubhouse-Talk des DemenzMeets mit Daniel Wagner und anderen Angehörigen und Experten mitgenommen. «Es ist nicht grundsätzlich die Pflege, die belastend ist», sagte Bettina Ugolini und riet, genau hinzuschauen, was belastet und bedrückt.

«Nirgends anderswo wird so viel Wert auf differenzierte und anspruchsvolle Berichterstattung gelegt, als auf demenzjournal.com. Das Niveau ist stets hoch, dabei aber nicht abgehoben.»

Raphael Schönborn, Geschäftsführer Promenz, Wien

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Wenn ich bei meiner Mama bin und direkt helfen kann, stresst mich das sogar weniger als wenn ich nicht da bin. Denn dann kann ich aktiv helfen. Bin ich aber nicht da, belastet mich das schlechte Gewissen und stressen mich meine Erwartungen.

Zur Selbstfürsorge mit der «Zeit-für-mich»-Liste

Was kann pflegenden Angehörigen im Alltag zu Selbstfürsorge helfen? Darüber haben wir uns vom Podcast-Team Gedanken gemacht. Isabell Hartmann und Anja Kälin von Desideria Care und ich haben deshalb passend zur Podcast-Folge ein Worksheet entwickelt. 

Auf dieser «Zeit für mich»-Liste findet haben wir Ideen zusammengetragen, die helfen können, Kraft und Energie zu schöpfen. Sie stammen aus den Bereichen Entspannen, Aktiv & Kreativ sein, Reflektieren und Hilfe annehmen. All das sind nur Ideen, viel wertvoller und wichtiger finde ich die Liste, in die man die eigenen Strategien schreiben kann. Wie findet man die? Vielleicht mit folgenden Fragen:

  • Was hast du früher gerne gemacht?
  • Was zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht?

Und besonders hilfreich: Auf der Liste kann man direkt eintragen, wann und mit wem man das machen möchte. Erfahrungsgemäss fällt es ja viel leichter, etwas umzusetzen, wenn man es sich konkret vornimmt

Ich wünsche euch, dass euch diese «Zeit für mich»-Liste im Alltag zu mehr Selbstfürsorge hilft. Mit regelmässigen Aktivitäten und Auszeiten. Es müssen nicht immer grosse Auszeiten sein. Auch kleine Dinge, wie ein paar Minuten in die Wolken schauen, können gut tun. Oder einmal das Fenster aufmachen oder auf den Balkon treten und tief durchatmen. Oder sich fünf Minuten schütteln. 

Es ist gar nicht so wichtig, was man tut, solange man etwas für sich tut und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht vergisst – denn dann kann eine gute Balance entstehen und der Ast lange halten, auch wenn er eine zunehmende Last tragen muss.