Gesprächsprotokolle von Rike Uhlenkamp, Mut – Magazin für Lösungen

Maja, 7 Jahre

Oma sein ist ziemlich cool, man kann seine Kinder herumkommandieren und zu den Enkeln nett sein. Oma Rose wohnt bei uns im Haus. Wenn ich bei ihr schlafe, erzählt sie mir Geschichten, die sie sich ausdenkt.

Das kann sie gut, weil sie schon so viel erlebt hat. Wenn ich im Garten spiele, sitzt sie im Schatten und liest Kochrezepte und Krimis. Sie besucht auch Leute, die allein und krank sind.

Manchmal kann sie aber auch stinkig werden. Dann kneift sie die Augen zu und hat noch mehr Falten im Gesicht. Ich sag dann kein Wort mehr. Ich kann vieles besser als sie: turnen und rennen. Auch radfahren, das hat sie nie gelernt. Aber jetzt ist sie zu alt dafür, sagt sie.

Oma Rose hat immer so Schlabberhosen an und komische Schuhe. Aber das gefällt mir. Meine andere Oma heisst Tanja und kommt aus Russland. Sie hat mir ein paar Wörter Russisch beigebracht. Ich weiss noch zwei: Spasibo und Trusy, das heisst Danke und Unterhose.

Luzie, 10 Jahre

Ich hab eine bessere Kindheit als meine Grosseltern. Die mussten viel zuhause helfen und hatten nicht viel Geld. Als Oma klein war, gab’s zum Geburtstag nur Kakao und ein Nachthemd.

Geburtstag haben ist schön, älter werden nicht. Natürlich ist es toll, wenn ich alles machen darf. Aber was ist, wenn ich was Falsches tu, weil niemand auf mich aufpasst? Zum Beispiel zu viel Schokolade esse.

Andersrum find ich es cool, Oma zu helfen. Seit ihrer Kindheit hat sie Angst vor Pferden, aber neulich hat sie sich doch getraut, ein Pony zu streicheln, weil ich sie überredet habe. Sie joggt noch, fährt Rad und hat bis vor kurzem noch Handstand gemacht.

Nicht alle alten Menschen sind so beweglich. Meine andere Oma macht sich Sorgen um meinen Opa, der sich beim Treppensteigen das Bein gebrochen hat. Wenn sie traurig ist, streichle ich ihr über den Rücken, damit sie spürt, dass ich sie lieb habe.

Mats, 5 Jahre

Mama und Papa haben sich nicht gekannt, als sie klein waren. Später haben sie sich getroffen und geheiratet und uns geboren. Zuerst Mila und dann mich. Letztes Jahr war Mila noch mit mir im Kindergarten.

Wenn ich geweint habe, hat sie mich getröstet und umarmt. Jetzt ist sie in der Schule, da geht sie gern hin. Nächstes Jahr komm ich auch in die Schule, aber ich würde gern noch ganz, ganz, ganz lange ein Kind bleiben und spielen. Erwachsene trinken Wein und schwätzen.

Ins Bett von Mama und Papa passen wir zu viert. Mila und ich gehen nachts immer rüber zum Kuscheln. Wenn wir bei Oma Ruby übernachten, geht das nicht so gut.

Dafür machen wir dort eine Übernachtungsparty und essen vor dem Schlafengehen viel Süsses. Oma Ruby macht mit mir auch Wettrennen. Ich gewinne immer. Omas und Opas laufen langsamer, weil sie alt sind. So wird es mir auch mal gehen.

Malik, 7 Jahre, und Kiyan, 10 Jahre

Unser Papa erzählt manchmal von seiner Kindheit in Kenia. Da gab es Löwen, Geparde und Paviane. Er ist erst mit neun in die Schule gekommen, davor hat er Kamele gehütet. Sein Bruder kann bis heute nicht gut lesen und schreiben.

Deshalb ist es wichtig, zur Schule zu gehen, sagt Papa. Am Kind sein stört uns am meisten, dass wir nicht die Filme schauen dürfen, die wir wollen. Wir wissen doch, dass alles nur im Film passiert, und haben keine Angst. Die Regeln sind aber okay, denn einige Szenen sind vielleicht wirklich gruselig.

Wir haben eine Uroma, die wird bald 100. Wenn wir sie besuchen, fahren wir auf ihrem Rollator, hüpfen mit ihren Krücken und sie guckt uns dabei zu. Sie ist sehr klein geworden. Bald sind wir beide grösser als sie.

Wenn wir so alt werden wie sie, sollen uns die Kinder, Enkel und Urenkel besuchen, damit wir nicht allein sind.

Daphnée, 5 Jahre

Wenn ich mal alt bin, färb’ ich meine Haare pink, das ist viel cooler als weiss. Ich möchte mal vier Kinder und sechs Enkel, so haben alle jemand zum Spielen. Ich bin Einzelkind, das ist ein bisschen blöd. Dafür hab’ ich zwei Omas, die gar nicht meine Omas sind.

Die eine liest mir vor, bis ich einschlafe, wenn meine Eltern mal weg sind. Am liebsten bin ich bei der Tante von meiner Mama. Sie heisst Anne. Bei ihr darf ich Milch mit ganz viel Kaba trinken.

Im Kindergarten bin ich die Älteste und helf bei den Kleinen, binde ihnen den Latz um oder bring sie zu Martina, wenn sie weinen. Aber wenn ich was nicht darf, weil ich zu klein bin, werde ich böse, knall’ die Tür zu, schrei laut, schmeiss mich ins Bett und weine.

Letztens ist meine Uroma gestorben. Sie wurde verbrannt, weil sie nicht in eine Box wollte. Es hat lang’ gedauert, bis Papa nicht mehr traurig war. Irgendwann muss jeder sterben. Sonst gäb’s ja zu viele Menschen.

Gabriel, 12 Jahre

Wenn ich mich mit meinen Eltern und meiner Oma vergleiche, hat Oma das beste Leben von uns allen. Ich muss zur Schule gehen, Mama und Papa müssen arbeiten. Und Oma trifft sich mit Freundinnen und macht, was sie will.

Das ist so, als wär’ man nach 60 Jahren im Gefängnis endlich frei. Ein perfektes Alter für mich wäre 22. Da muss ich nicht mehr zur Schule, hab Geld, ein Auto und kann so lange wach bleiben, wie ich will. Vor allem sagt mir keiner, ich soll mein Zimmer aufräumen.

Aber es ist auch schön, wenn sich Kinder um ihre Grosseltern kümmern. Wie bei meiner Uroma, die fast 100 ist. Als wir bei ihr in Mexiko waren, sass ich oft bei ihr. Leider hab ich sie kaum verstanden, weil sie nuschelte. Wenn wir uns unterhielten, lächelte sie, weil sie froh war, dabei zu sein.

Ich möchte in Deutschland alt werden, da ist es sicherer.