Versicherer und Kantone in der Pflicht - demenzjournal.com

Pflegefinanzierung

Versicherer und Kantone in der Pflicht

Ein heikler Punkt: Die angestrebten Änderungen würden wahrscheinlich eine Erhöhung der Krankenkassen-Prämien mit sich bringen. Bild PD

Die Aufteilung der Pflegekosten in der Schweiz ist nicht optimal geregelt. Ungedeckte Beträge in der stationären und ambulanten Langzeitpflege sind die Folge. Nicht selten werden diese Kosten auf die Patienten abgewälzt, oder die Qualität der Pflege leidet.

Nicht weniger als 250 bis 350 Millionen Franken ungedeckte Pflegekosten fallen pro Jahr in schweizerischen Pflegeheimen an. Das führt dazu, dass die Institutionen die Kosten auf die Bewohnerinnen und Bewohner abwälzen müssen, wenn sie nicht Konkurs gehen wollen.

Das ist gesetzeswidrig – es widerspricht dem Tarifschutz. Auch besteht die Gefahr, dass in Pflegeinstitutionen beim Personal gespart wird und die Pflege von besonders verletzlichen Menschen nicht mehr in der geforderten Qualität erbracht wird.

Eigentlich müssten die Kosten gemäss der seit Januar 2011 in Kraft getretenen neuen Pflegefinanzierung unter den Krankenversicherern, den Versicherten sowie den Kantonen aufgeteilt werden.

Da die Kostenübernahme durch die Krankenversicherer und die Versicherten fixiert worden ist, geht das Kostenwachstum einseitig zu Lasten der Kantone bzw. Gemeinden, die ihrer rechtlichen Pflicht zur Restfinanzierung oft nicht genügend nachkommen.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Die IG Pflegefinanzierung, in der sowohl die Interessen der Patientinnen und Patienten als auch diejenigen der Leistungserbringer wie Heime oder Spitex vertreten sind, hat drei konkrete Änderungsvorschläge erarbeitet:

  • Kantone in die Pflicht nehmen. Die Kantone sollen die Finanzierung der Restkosten der Pflegeleistungen sicherstellen. Dazu erlässt der Bundesrat einheitliche Kriterien, damit die Restfinanzierung nicht unterschiedlich ausgestaltet oder gar ganz darauf verzichtet wird.
  • Krankenkassenbeiträge der Kostenentwicklung anpassen. Die Beiträge der Krankenversicherer sind seit 2011 trotz steigender Kosten unverändert geblieben. In Zukunft soll sie der Bundesrat jährlich überprüfen und anpassen, so dass die Anteile aller Kostenträger an den Pflegekosten gleich hoch bleiben.
  • Anpassung Akut- und Übergangspflege. Die gesetzliche Frist für Akut- und Übergangspflege soll verlängert und die Aufenthaltskosten (Hotellerie und Betreuung) sollen analog dem vorangehenden Spitalaufenthalt durch die obligatorische Krankenversicherung und die Kantone übernommen werden.

Wie erfolgsversprechend diese Forderungen sein werden, sei schwierig abzuschätzen, sagt Daniel Höchli, Direktor von Curaviva, dem Verband Heime und Institutionen Schweiz: «In der Politik besteht der grosse Wille, die Krankenkassenprämien nicht weiter steigen zu lassen.»

Eine der Forderungen hätte aber genau dies zur Folge. Das sei ein heikler Punkt, sagt Höchli. Seiner Einschätzung nach sollten die Kantone auf der Linie der IG sein, da sie mit den Änderungsvorschlägen in Zukunft das Kostenwachstum nicht mehr einseitig tragen müssten.

Höchli hofft nun, dass der Bundesrat die Forderungen aufnimmt. Ansonsten müsse der Weg über das Parlament eingeschlagen werden. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass es nicht die Pflegekosten sind, welche die Kosten in die Höhe treiben:

«Es sind vor allem die Spitäler und die Intensivmedizin, die dieses Kostenwachstum verursachen.»

Die Pflegeheime hätten in den letzten 15 Jahren kaum zu den steigenden Krankenkassenprämien beigetragen. Es könne deshalb nicht sein, dass nun nur bei der Pflege die Kosten nicht steigen dürften: «Das ist der betroffenen Gruppe gegenüber nicht gerecht.»

Einige Bundesparlamentarier haben bereits gezeigt, dass ihnen die Pflegefinanzierung ein Anliegen ist. CVP-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel machte in den letzten Jahren einige Vorstösse, die aber keine Mehrheit fanden.

Unter anderem war auch ein Postulat dabei, das die Anpassung der obligatorischen Krankenversicherungsbeiträge an die Pflegeleistungen verlangte. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort darauf, dass die Überprüfung zeitgleich mit der Evaluation der Neuordnung der Pflegefinanzierung abgeschlossen sein werde. Diese soll im kommenden Sommer erscheinen.

Humbel erwartet vom Evaluationsbericht nicht viel. Für die Anliegen der IG hat sie grosses Verständnis: «Nach der Veröffentlichung des Berichts müssen diese Forderungen mit Nachdruck angegangen werden», sagt die Nationalrätin.

Auch Marianne Wolfensberger, Beauftragte Recht und Politik bei Alzheimer Schweiz, hofft auf eine Umsetzung der Vorschläge: «Wir setzen da ja nun schon länger Druck auf.»

Sie sieht den Gang vors Bundesgericht als eine weitere Möglichkeit: «Wenn eine Patientin nicht bereit ist, mehr zu bezahlen, als sie gesetzlich verpflichtet ist, könnte ein juristischer Präzedenzfall geschaffen werden.» Eine ältere Person zu finden, die das auf sich nimmt, dürfte aber nicht ganz einfach sein.

Wolfensberger setzt auch Hoffnungen in den Preisüberwacher, der bereits einige Kantone darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Restpflegekosten nicht einfach den Leistungserbringern bzw. über erhöhte Betreuungskosten den Patienten und deren Angehörigen überlassen werden dürften.

Auch bei der Finanzierung der Leistungen, die spezifisch die Demenz betreffen, ist noch ein politischer Entscheid ausstehend. Gemäss Marianne Wolfensberger von Alzheimer Schweiz ist zu hoffen, dass die Überlegungen im Rahmen der nationalen Demenzstrategie dazu führen, dass die Krankenversicherer gewisse zusätzliche Leistungen übernehmen müssen. Dadurch würde auch das Thema Demenz im Rahmen der Pflegefinanzierung besser berücksichtigt.