3. August 2010 – Endlich wieder geschlafen
Halleluja! Unser Gebet wurde erhört! Im Glauben habe ich Ohropax gestöpselt und darauf vertraut, dass Paul ruhig bleibt. Alles gut gegangen! Oh, welche Freude, welche Dankbarkeit! Wie ganz anders fühle ich mich heute Morgen, ausgeschlafen, keine Stress keine Störungen. Bin wie neu geboren … erfrischt, neu ermutigt und fröhlich.
Mein Tagebuch
Diese Aufzeichnungen sind ehrlich, ungeschminkt, offen und authentisch. Mit der Veröffentlichung im Internet gehe ich bewusst das Risiko des mich (zu sehr?) Öffnens ein – aber mit brennendem Herzen. Meine Notizen zeigen ein eigenes, persönliches und ungeschöntes Bild vom Begleiten meines dementen Partners. Mögen diese Tagebucheinträge Menschen in ähnlicher Situation helfen.(uek)
Hier finden Sie alle bisher veröffentlichten Tagebucheinträge.
Telefon von Carlo auf mein Handy. Der versetzt mich immer wieder in Erstaunen mit seinen 88 Jahren. Hat er sich doch meine Handynummer gemerkt! Wieder einmal ein normales Gespräch, jemand, der sich nach mir, nach meinem Befinden erkundigt. Seine Zuneigung tut meinem Herzen gut.
Paul dreht sich seit Monaten nur noch um sich selbst, ist gefangen in sich selbst, er nimmt mich überhaupt nicht mehr wahr. Es interessiert ihn nicht wie es mir geht und leider kommt es jetzt auch öfters vor, dass er mich in der Sie Form anspricht. Oder dass er gar über mich spricht: «Sie»hat gesagt.
Beim Hinausgehen fragt er ob alle draussen sind, damit ich niemanden einsperre. In welcher Welt lebt Paul, was bewegt ihn? Er ist mir fremd geworden.
Selten erkennt er mich noch als seine Frau. Wer kann sich vorstellen, wie einsam man sich dabei fühlt?
Nach dem Nachtessen: «Willst du die Tagesschau sehen?» Ich stelle ihm den Fernseher an, er weiss nicht mehr, wie bedienen. Doch er schaut nicht lange, schläft bald ein. Dann plötzlich steht er auf, sucht etwas. Er geht zu meinem Rucksack und durchwühlt ihn.
«Was suchst du, kann ich helfen?»
Erst antwortet er mir nicht, sucht auch in meiner Handtasche, dann geht er hinter den Fernseher nachschauen. «Kann ich helfen, was suchst du?»
«Den Stern». Ich glaube, nicht richtig verstanden zu haben.
«Den Stern? Was meinst du?»
«Ja, den Stern, jeder weiss, was das ist.»
Oh Paul, ich verstehe nicht, woran denkst du, wo bist du, was bewegt dich?
Nun schläft er vor dem Fernseher. Wie muss ich mich verhalten? War es doch ein Fehler, hierher zu kommen? War es die falsche Entscheidung? Hat ihn das noch mehr durcheinander gebracht? Jede Veränderung, auch ein kleiner Ausflug, strengt ihn sehr an.
Den ganzen Tag über kontrollierte er total verunsichert die Medikamentenschachtel, klagt mich an ich rede ihm drein, nimmt immer wieder den ganzen Vorrat hervor, begutachtet die Schächtelchen und beschwert sich, dass ihm alle Leute dreinreden würden. Ich weiss mir nicht mehr zu helfen.
5. August 2010 – Im Hallenbad
Immer noch in den Ferien. Wie es mir geht heute Morgen? Danke, ich hatte einen guten, störungsfreien Schlaf. So lässt es sich gut aushalten.
Vormittags gehen wir ins Hallenbad, Paul muss wieder mal duschen, das wöchentliche Ritual, diesmal ohne Spitex-Hilfe. Und wieder ein Grund zum Danken. Paul liess sich anleiten, führen, in die Dusche, auf die Toilette, dann ins Bad.