30. Juli 2010 – In den Ferien
Wieder einmal im Ländli am Ägerisee. Etwas ist diesmal anders: Es ist ein ganz besonderer Glaubensschritt, denn so, wie Paul jetzt dran ist, kann eine solche Veränderung nur im Glauben gewagt werden.
Mein Tagebuch
Diese Aufzeichnungen sind ehrlich, ungeschminkt, offen und authentisch. Mit der Veröffentlichung im Internet gehe ich bewusst das Risiko des mich (zu sehr?) Öffnens ein – aber mit brennendem Herzen. Meine Notizen zeigen ein eigenes, persönliches und ungeschöntes Bild vom Begleiten meines dementen Partners. Mögen diese Tagebucheinträge Menschen in ähnlicher Situation helfen.(uek)
Hier finden Sie alle bisher veröffentlichten Tagebucheinträge.
Nur schon ein Ausflug ist belastend, wie wird es bei Übernachtungen sein? Doch er selbst wollte diese Ferien, wie gerne gönnte ich es ihm, und auch mir. Urlaub vom Kochen, sich verwöhnen lassen.
Es ist Viertel vor neun, Paul sitzt vor dem Fernseher, schaut Leichtathletik aus Barcelona, er spricht nicht mit mir. Auch beim Nachtessen war er wortkarg. Was geht in ihm vor? Ach, wenn er wieder zurückkäme, mein vertrauter, geliebter Mann.
Nach Zimmerbezug und Einräumen unserer Kleider kam er mit an den See. Wortkarg ging er an meiner Seite, sass schweigend auf dem Bänklein. Woran denkt er? Vorhin im Badezimmer suchte er den Augenspray, jemand hätte ihm den weggenommen.
«Es war Nasenspray, den ich dir kaufte.» Nein, die Mutter hätte ihm für die Augen einen Spray gekauft. Lange Debatte, Erklärungen, ich versuche ihn davon abzuhalten, dass er sich den Nasenspray in die Augen sprüht.
Mutter? Geschwister? Liegt da die Ursache der häufigen Frage, wie viele denn zum Essen da sein werden? Ist es schon so weit?
31. Juli 2010 – Erste Übernachtung
Die erste Nacht im Hotel. Vorsorglich habe ich einen Stuhl vor die Eingangstüre gestellt, die Vorhänge nicht zugezogen, damit die Lampen vor dem Haus das Zimmer beleuchten.
Um etwa drei Uhr höre ich wie der Stuhl weggeschoben wird. Ich stehe auf, Paul will eben aus dem Zimmer in den Gang hinaus. Ich rede ihm zu, mache Licht im Badezimmer, will ihn umstimmen, nicht hinauszugehen. Er wird böse, schnauzt mich an, hier bleibe er nicht und ich dürfe ihm nicht befehlen.
Erst als er draussen steht und erkennt, dass er im Hotel ist, lässt er sich ins Badezimmer lenken.
Um halb fünf weckt mich wieder das Geräusch des herumgeschobenen Stuhls, Paul steht schon wieder draussen im Gang. «Komm, hier ist die Toilette», rede ich ihm zu und knipse das Licht an im Badezimmer. Er schaut sich im Gang um, dann geht er ins Badezimmer. Danach beginnt er sich anzuziehen. «Ach, Paul, es ist viel zu früh, Frühstück ist um acht, ich will noch schlafen.»