1. Januar 2010 – Küchenkrach
Ich habe Freude am Kochen, und Paul hat Freude am Essen. So gehe ich immer wieder motiviert in die Küche, auch weil er mich früher anerkennend gelobt hat.
Kaum bin ich in der Küche – in der Zwischenzeit habe ich mit der täglichen Pflege der wunderbaren Schnittblumen begonnen – kommt Paul. Er macht mir Vorwürfe, überall habe es Wasser! Klar, da sind paar Tropfen, die sind aber nicht katastrophal! Für Paul jedoch ist endlich Äkschen angesagt. Er fuchtelt mit dem Lappen herum, legt los mit Vorwürfen, Beschuldigungen, so arbeite man nicht in der Küche und, und, und … , ein fast tägliches Ritual.
Mein Tagebuch
Diese Aufzeichnungen sind ehrlich, ungeschminkt, offen und authentisch. Mit der Veröffentlichung im Internet gehe ich bewusst das Risiko des mich (zu sehr?) Öffnens ein – aber mit brennendem Herzen. Meine Notizen zeigen ein eigenes, persönliches und ungeschöntes Bild vom Begleiten meines dementen Partners. Mögen diese Tagebucheinträge Menschen in ähnlicher Situation helfen.(uek)
Hier finden Sie alle bisher veröffentlichten Tagebucheinträge.
Wenn ich kochen will, brauche ich Freiraum, werde nicht gerne in meinem Hin und Her abgeblockt, muss mich konzentrieren. Da nervt es mich, wenn er im Spültrog gleich jeden Tropfen auftrocknet und mir dauernd im Weg steht.
«Lass mich endlich in Ruhe kochen! Ich habe dir auch nicht dauernd in deiner Schreinerwerkstatt die Späne und das Sägemehl weggeputzt!».
Die aufgestaute Verzweiflung und Wut der letzten Wochen bricht los. Ich habe ihn angeschrien!
Verblüfft schaut er mich an. Geht hinaus. Nun ärgere ich mich auch noch über mich selbst, dass ich mich (immer noch) nicht beherrschen kann. Ich gehe ihm nach, setze mich neben ihn und versuche mich zu erklären.
«Also, Du wirfst mir vor, ich hätte alles nass gemacht. Du wolltest mir ja nur helfen. Ich sei böse, brülle dich immer an. Es tut mir leid. Ich möchte ja nur in Ruhe kochen … .» Er wollte mir ja nur helfen … Wie konnte ich mich nur so gehen lassen! Es ist ja die Krankheit, nicht mein Mann. Wann werde ich das endlich verstehen? Wir umarmen uns, die Tränen vermischen sich … .
15. Januar 2010 – Tagesheim
Es hat sich einiges getan seit der Untersuchung in der Memory Klinik. Auch wenn damals alles traurig und sinnlos erschien, weil Paul sehr deprimiert war danach, bin ich froh, dass ich endlich eine Diagnose habe und handeln kann.
Letzten Mittwoch besuchte ich mit Paul ein Seniorenheim (fünf Autominuten von hier und mit dem Bus leicht erreichbar), das auch Tagesaufenthalt anbietet. Das Gespräch war sehr positiv, die zwei Frauen hatten das richtige Gefühl für Paul und er stimmte freudig dem geplanten Tagesaufenthalt zu! Bin total überrascht. Das tollste daran: zum ersten Mal schon nächsten Mittwoch (mein Wunschtag!), ab 8.30 bis 16 Uhr.