«Ich wünsche mir einen inspirierenden Austausch» - demenzjournal.com

8. St.Galler Demenzkongress

«Ich wünsche mir einen inspirierenden Austausch»

Prof. Dr. Heidi Zeller leitet das Kompetenzzentrum Demenz des Instituts für Angewandte Pflegewissenschaft (IPW) an der Ostschweizer Fachhochschule OST. Bild Marcus May

Als Chefin des St.Galler Demenzkongresses hofft Heidi Zeller, dass der diesjährigen Austragung des Anlasses nichts mehr im Weg steht. Im Interview spricht sie über die Digitalisierung in der Pflege.

alzheimer.ch: Frau Zeller, wissen Sie schon, ob der St.Galler Demenzkongress dieses Jahr stattfinden kann?

Prof. Heidi Zeller: Ja, im Moment gehen wir davon aus. Die Planung ist abgeschlossen, jetzt stecken wir bereits mitten in der Bewerbung des Anlasses: Man kann sich anmelden und das ist sehr gut angelaufen. Wegen der instabilen Corona-Situation sind wir uns natürlich bewusst, dass noch Änderungen möglich sind. Wir werden die im November gültigen Schutzmassnahmen anwenden. Diese werden auf der Kongress-Webseite kommuniziert werden.

Auch wir werden dies selbstverständlich kommunizieren. Der diesjährige Kongress ist eine abgespeckte Version, welche Massnahmen haben Sie getroffen?

Wir haben die Zahl der Teilnehmenden halbiert, es werden nur 500 Personen zugelassen, damit die Abstandsregeln besser eingehalten werden können. Weiter haben wir das Programm etwas reduziert, zwei Parallel-Sessions wurden gestrichen. Dennoch sind wir vom Gehalt unseres Programms überzeugt, alle geplanten Keynotes wurden ja beibehalten.

Wie sieht es mit dem Rahmenprogramm aus? Bisher gab es ja immer auch eine Ausstellung, gemeinsame Pausensnacks und ein grosses Mittagessen für alle.

Wir sind uns bewusst, dass es auch hier Anpassungen braucht, doch lassen wir uns noch etwas Zeit mit den definitiven Entscheiden, je nach Entwicklung der Pandemie. Einige Aussteller werden sicher anwesend sein.

Werden Sie die sogenannten 3G-Regeln (geimpft, genesen, getestet) beim Einlass zum Kongress  anwenden, bzw. wird nur hereingelassen, wer ein Zertifikat vorweisen kann?

Es wird in diese Richtung gehen, davon gehe ich aus. Aber auch hier gilt es noch etwas abzuwarten, wir werden auf jeden Fall die Regeln anwenden, die der Bundesrat dannzumal im November für solche Events festlegt.

Zum diesjährigen Kongressthema: Menschen mit Demenz im digitalen Zeitalter. Hat sich Ihr Blick aufs Thema im Lauf der vergangenen zwei Jahre verändert?

Das Thema Digitalisierung allgemein hat im Rahmen dieser Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen, auch für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Die Situation in den Alters- und Pflegeheimen führte dazu, dass digitale Medien wie Skype oder Zoom vermehrt genutzt wurden, um einen Kontakt irgendwie noch aufrecht zu erhalten. Dies nur als Beispiel.

8. ST.GALLER DEMENZKONGRESS

«Menschen mit Demenz im digitalen Zeitalter»
Der Umgang mit dem technisch Machbaren in der Pflege und Betreuung von Personen mit Demenz erfordert auch Antworten auf die folgenden Fragen: Was bedeutet Technik für wen? Wer schreibt der Technik welchen Sinn in welcher Situation zu? Wer akzeptiert sie wann? Wann und wie wirkt sie? Antworten auf diese Fragen möchte der 8. St.Galler Demenzkongress vermitteln, der am 17. November 2021 in den Olma-Hallen stattfindet.

Das Thema an sich ist aber nach wie vor hochaktuell und die Entwicklungen laufen weiter. Gerade bei Menschen mit Demenz treten der Nutzen und die Grenzen der digitalen Technologien deutlicher hervor als anderswo. Ob und wie diese Grenzen überwunden werden können, wird die Entwicklung der nächsten Jahre zeigen.

Deshalb scheint es mir sehr wichtig, und daran arbeiten wir auch, dass wir die Betroffenen hier mit einbeziehen. Damit meine ich die Erkrankten und deren Angehörige, aber auch die Pflegefachkräfte. Hier im Kompetenzzentrum Demenz geht es deshalb vor allem um die Suche nach praktischen Lösungen im hier und jetzt.

Neben den praktischen Aspekten betonen Sie im Programm ebenso die ethischen. Was können wir in dieser Hinsicht am Kongress erwarten?

Ich hoffe, dass die eingeladenen Referent:innen diesen Aspekt breit ausleuchten werden, die Pro und Kontras dieser Entwicklung präsentieren, und aufzeigen, wo man kritisch hingucken sollte. Dieser Diskurs ist ja bereits im Gang und wir möchten hierzu unseren Beitrag leisten.

Können Sie hier mit einem Beispiel etwas konkreter werden?

Nehmen wir das Beispiel der Ortungsgeräte. Diese tragen zwar zur Sicherheit aller Beteiligten bei, sind aber aus Datenschutz-Gründen auch sehr umstritten, da es sich hier um eine Art der Überwachung handelt.

Wie stehen Sie zu Pflegerobotern in pflegerischen Institutionen?

Aus heutiger Sicht können die eigentlich noch wenig, ich kann mir aber vorstellen, dass sie in Zukunft gewinnbringend eingesetzt werden können, zur Unterstützung der Pflegenden aber auch für Menschen mit Demenz, die vielleicht sogar gefallen daran finden.

Ich bezweifle aber, dass Roboter die zwischenmenschliche Interaktion je ersetzen können. Es geht wirklich darum, zu verstehen, wo es den Betroffenen tatsächlich etwas bringen kann und wo es schlicht unangemessen ist.

Ein Roboter wird nie einer Pflegefachperson die Arbeit wegnehmen, geschweige denn sie ersetzen können, davon bin ich überzeugt.

Ich frage Sie als Ausbildnerin: Wohin bewegt sich die Digitalisierung in der Pflege?

Digitalisierung, Robotik, sowie neue Kommunikations- und Sicherheitssysteme sind einige Aspekte, die bereits heute in die Ausbildung einfliessen, diese Themen sind in den Bachelor- und Masterstudiengängen sowie diversen Weiterbildungen weitgehend integriert.

Wir wollen unsere Student:innen befähigen, die sinnvolle Anwendung von Technologien zu beurteilen und deren Einsatz kritisch einzuschätzen, d.h. wir möchten einerseits die Technikkompetenz fördern und entwickeln, andererseits wollen wir die Technologie nutzen, um Lern- und Lehrsituationen zu gestalten.

Ein Beispiel dafür sind virtuelle Simulationen, die es den Studierenden erlauben, in die Lebenswelten von Menschen mit Demenz einzutauchen, damit sie eine Ahnung davon bekommen, was Betroffene erfahren und erleben.

Rennen Sie da bei den jungen Menschen in Ausbildung nicht offene Türen ein oder gibt es auch kritische Stimmen?

Auf Grund unserer Evaluationen wissen wir, dass die Jungen grundsätzlich sehr offen sind gegenüber diesem Thema, oft sind sie nicht ganz unkritisch und manchmal haben sie auch Vorbehalte, aber die meisten sind daran interessiert, die eigenen Kompetenzen dahingehend weiter zu entwickeln.

Abschliessend: Was erhoffen Sie sich vom diesjährigen Kongress?

In erster Linie wünsche ich mir natürlich, dass der Kongress durchgeführt werden kann und dass wir unter den gegebenen Schutzmassnahmen einen erfolgreichen Tag erleben dürfen.

Für die Teilnehmenden wünsche ich mir, dass ein reger und inspirierender Austausch möglich sein wird, dass sie ihr Wissen, ihre Haltung und ihre Kompetenzen gegenüber technischen Systemen weiter entwickeln können, dass Hemmungen und Vorbehalte abgebaut werden und dennoch genug Raum für kritische Fragen bleibt. Und ich wünsche mir, dass dieser Diskurs auch über den Kongress hinaus weitergeführt wird.