Fördert die Digitalisierung die Pflegeberufe? - demenzjournal.com

Pflegemanagement

Fördert die Digitalisierung die Pflegeberufe?

Die Digitalisierung schreitet in grossen Schritten voran. Grafik SBK

Die digitale Revolution hat begonnen – mit positiven Auswirkungen auf die Pflegeberufe. Diese Entwicklung wird nach Meinung der Autoren die Bedeutung der Pflege im Spitalbetrieb stärken und die Unternehmenskultur im Spital entscheidend prägen.

Esther M. weiss, dass schon seit längerer Zeit die Anamnesen und Operationen durch Roboter so präzise sind, dass es in den Spitälern dafür keine Ärzte mehr braucht. Aber was sie jetzt in diesem Moment erlebt, das hätte sich Frau M. in ihren kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt.

Die vollautomatisierte OP dauert nur 15 Minuten und bereitet ihr absolut keine Schmerzen. Jedoch hat sie seit ihrem Eintritt ins Spital keine Menschenseele gesehen! Endlich wird sie aus diesem röhrenähnlichen Gerät befreit.

Nachdem ein Pflegeroboter die Patientin behutsam auf die Bettenstation verlegt hat, fragt eine sanfte Stimme: «Wie geht es Ihnen?» «Endlich», atmet Esther M. auf, «ein echter Mensch!»

Dr. Watson und Terapio

Ob sich in 10 Jahren alle Spitalaufenthalte nach diesem Muster abspielen werden, darf berechtigterweise angezweifelt werden. Dennoch: In Zukunft werden im Spital eine Vielzahl neuer Technologien zum Einsatz kommen.

Ein Teil der heutigen Aufgabengebiete wird wohl nicht mehr von Menschenhand verrichtet. Wer an dieser Stelle denkt, dies sei schwarzmalerische Spekulation, wird bereits heute eines Besseren belehrt. «Dr. Watson», ein digitaler Superdoktor aus dem Hause IBM, sorgt schon heute für Schlagzeilen über beinahe wundersame Heilungen seltenster Krankheitsbilder.

Bereits heute implantieren Roboter Zähne autonom. Die Pflegewelt staunt über die Fähigkeiten von «Terapio», einem japanischen Pflegeroboter, der den Arbeitsalltag im Spital markant erleichtern soll. Diese drei Beispiele zeigen, dass Industrie 4.0 auch vor den Spitälern keinen Halt macht.

Quelle Youtube

Doch was bedeutet dies für das Spitalpersonal und die Unternehmenskultur? Der neue Trend ist real und bereits weit fortgeschritten. Aus diesem Grund sollten auch Spitäler mit den neuen Technologien offen umgehen. Damit im Spital von Morgen nicht ausschliesslich Roboter mit künstlicher Intelligenz eingesetzt werden, gilt es heute die Weichen richtig zu stellen.

Die Digitalisierung birgt Chancen, die das Gesundheitswesen nicht verpassen darf.

Im ärztlichen Bereich können mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz medizinische Entscheide zusätzlich abgesichert werden. Mit dem Einsatz von OP-Robotern wird eine Vielzahl manueller Handgriffe sicherer, was bereits heute Infektionskrankheiten reduziert. Die Vorteile für den Patienten liegen also klar auf der Hand.

Kritisch betrachtet dürfte zukünftig die Digitalisierung der Medizin zu weniger Interaktionen zwischen Ärzten und Patienten führen. Eine zunehmende Abhängigkeit von der Technik ist dabei absehbar. Berechtigterweise stellt sich die Frage, ob die Mediziner von morgen zu reinen Befehlsempfängern virtueller Systeme werden.

18’000 Robo-Pfleger?

Die OBSAN-Studie prognostiziert in Schweizer Spitälern bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf von 18’000 Pflegefachkräften. Gerade Pflegeroboter könnten dazu beitragen, einen Teil dieser Lücke zu füllen.

Der Einsatz von Robotern, verbunden mit künstlicher Intelligenz, bietet die Gelegenheit, die Pflegeberufe von körperlich anstrengenden, belastenden und repetitiven Aufgaben zu entlasten. Menschen werden zukünftig vermehrt für Aufgaben eingesetzt, für die es komplexe, soziale Interaktion am Patienten benötigt.

Es liegt auf der Hand, dass mit dem Einsatz neuer Technologien wertvolle Chancen für die Pflegeberufe entstehen werden.

Fest steht, dass die Pflege bereits heute ihr wertvolles Wissen den Patienten tagtäglich mit vollem Engagement zur Verfügung stellt. Dieses Wissen ist unter Anderem geprägt durch Erfahrungen in der sozialen Interaktion mit pflegebedürftigen Menschen.

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Erfahrungen, die für die Pflegeberufe heute unverzichtbar sind und zukünftig als pflegerische Kernkompetenz ausgebaut werden müsste. Die digitale Revolution wird zwar manche Arbeiten erleichtern, aber sie wird durch die viele Technik auch Unpersönliches mit sich bringen.

Denken wir zurück an die Patientin Esther M., die im Spital schliesslich doch noch eine Pflegefachperson angetroffen hat.

Das Bedürfnis nach persönlichen und sozialen Kontakten wird zukünftig massiv wachsen und für den Heilungsprozess der Patienten noch essenzieller sein als heute.

Es ist wichtig, dass die digitale Revolution nicht als Bedrohung wahrgenommen wird, sondern als Chance. So würde die Gefahr gebannt, dass das vermeintliche Paradoxon «Digitalisierung fördert Pflegeberufe» zu einem realistischen Szenario wird.

Spitäler sollten deshalb den Mut aufbringen, bereits heute in ausgewählten Arbeitsgebieten neue Technologien wie Roboter und künstliche Intelligenz einzusetzen.

Jede Organisation benötigt ausreichend Zeit, Erfahrungen mit diesen neuen Technologien zu sammeln und entsprechend genau zu analysieren. Darum sollte die Digitalisierung in kleinen Schritten vorgenommen werden.

Standards sollten dort definiert werden, wo einfache Prozesse durch Automation ersetzt werden können. Hingegen kann nur der Mensch – auch zukünftig – die komplexen Aufgaben der Interaktion mit Patienten durchführen.

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Felix Gutzwiller, Sozial- und Präventivmedinziner, alt-Ständerat

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Es ist davon auszugehen, dass sich die Veränderungen durch die Industrie 4.0 auf die Unternehmenskultur auswirken werden. Die Führungskräfte der Spitäler und Heime sollten sicherstellen, dass der Mensch als eigentlicher Treiber des Veränderungsprozesses Schritt halten kann und die Menschen die Gewinner des technologischen Fortschrittes bleiben.

Aus diesem Grund gilt es, bereits heute Normen und Standards zur Beherrschung der neuen Technologie sorgfältig zu definieren und die Automation voranzutreiben.

Mit diesen Aufgaben stehen strategische Bereiche, Führungskräfte und auch alle Mitarbeitenden vor grossen Herausforderungen. Die digitale Revolution hat begonnen – mit positiven Auswirkungen auf die Pflegeberufe.


Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift «Krankenpflege» des SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner), Nr. 5/2018. Herzlichen Dank an die Redaktion für die Gelegenheit der Zweitverwertung!