Wenn das Vergessen die Sprache beeinträchtigt, ziehen sich Freunde und Bekannte oft zurück – aus Frustration, weil Unterhaltungen wie bisher nicht mehr gelingen. Auch Angehörige stossen bei Besuchen auf Hürden: Wenn sich scheinbar Unsinniges in die Konversation schleicht, Fragen mehrmals wiederholt werden oder die Artikulation ein Verstehen schwer macht.
So beschleunigt sich die soziale Isolation von Betroffenen und Betreuungspersonen, weil man lieber wegbleibt als sich mühsamen Unterhaltungen aussetzt. Gunvor Sramek, Master in Validation nach Naomi Feil, Trainerin und Co-Autorin des Buches «Brücken in die Welt der Demenz» gibt im Interview Hinweise, wie man mit Menschen mit Vergessen im Kontakt bleiben kann.
alzheimer.ch: Warum fällt es uns so schwer, mit Menschen mit Demenz zu kommunizieren?
Gunvor Sramek: Ich glaube, dass uns vor allem unsere Vorstellungen von einem «guten Gespräch» im Weg stehen. Wir sind es so gewohnt, über den Verstand und durch gegenseitigen Austausch miteinander zu kommunizieren, dass wir Angst haben, wenn diese beiden Wege zunehmend versperrt werden.
Was wäre denn die Alternative? Wie begegnen wir uns, wenn wir mit den üblichen Gesprächsmustern nicht mehr durchkommen?
Wir müssen uns darauf besinnen, was wir selbst und die besuchten Menschen brauchen: nämlich Kontakt. Der kann aber auch entstehen, wenn wir bewusst Zeit miteinander verbringen, vielleicht eine Tasse Tee trinken, gemeinsam zum Fenster hinausschauen, etwas Singen oder Summen. Wenn wir in entspannten Atmosphäre miteinander schweigen.
Das ist eine wunderbare Chance, um in Einklang zu kommen, aber das fällt uns nicht leicht: Die Körperhaltung, den Atem, die Mimik des anderen zu erfassen und uns darauf einzustellen. Der Lohn kann jedoch gross sein: In diesem Miteinander können wir auch Menschen begegnen, die kaum noch sprechen.
Und in solchen Momenten fallen manchmal tiefe Sätze, die wie kleine Perlen sind. Wir müssen aber sozusagen nach ihnen tauchen.
Man hört öfter – von Angehörigen, aber leider auch von Pflegepersonal – Sätze wie «Mit ihm kann man nichts Vernünftiges mehr reden» oder «Frau F. erzählt Sachen, die nicht stimmen, aber wir geben ihr einfach recht». Was sagen Sie dazu?
Mir ist ganz wichtig, dass gerade Menschen in einer schwierigen Lebenssituation Vertrauen brauchen. Wir sollten sie nicht belügen, abtun, wegschieben. Die alten Menschen spüren sehr genau unsere Anteilnahme und unser Interesse.
Sie brauchen verständnisvolle Menschen, die nicht bewerten, die respektvoll und gezielt nachfragen, die das Gesagte nicht korrigieren und das Erlebte auf der Gefühlsebene begleiten und bestätigen. Wenn die Menschen mit Demenz das Vertrauen verlieren, ziehen sie sich zurück, und ihr Zustand verschlechtert sich.