Schwarze Löcher schlucken Fahrkarten, Schlüssel, Unterhosen. Immer öfter auch Wörter. Dann muss er sich anders behelfen, so gut er kann. Er sagt Schiesskugel statt Fussball, Zuckerecke statt Kuchen. Eines Tages, sagt er, verschwindet der ganze Kopf in einem schwarzen Loch.
Er war Ingenieur gewesen, jemand, der es gewohnt ist, sein Leben zu planen. Bevor er mit seiner Familie in den Urlaub fuhr, machte er lange Listen, was alles zu erledigen war, und der letzte Punkt lautete: Abfahren. Er kam nie zu spät, ging auch niemals fremd, so etwas lag ausserhalb seines Koordinatensystems.
In der Milchstrasse gibt es deutlich mehr Schwarze Löcher, als bislang angenommen wurde. Ständig werden neue Löcher entdeckt, die alles auf ihrem Weg verschlingen. Als sein Kopf ihm noch nicht abhanden gekommen war, hatte er sich für Astronomie interessiert.
Damals wusste er, dass es ein gigantisches Loch am Mittelpunkt der Milchstrasse gibt, umhüllt von Gas- und Nebelwolken, eingebettet in Sternenstaub. Es liegt im Sternbild Schütze und heisst Sagittarius A. Er kann sich den Namen nicht mehr merken und sagt einfach A. Manchmal sagt er auch Arschloch. «Meine Socke ist im Arschloch verschwunden.»
Vor einem Jahr hatte er sich auf dem Flughafen verirrt. Er war mit seiner Frau auf dem Weg nach Marseille gewesen, Umsteigen in Paris Charles de Gaulle. Er ging zur Toilette und fand danach das Gate nicht mehr. Seine Frau liess ihn ausrufen, er kam nicht, die Zeit wurde knapp.
Im letzten Moment fand er zurück, Gate 13. 13 war seine Glückszahl gewesen, manchmal erinnert er sich daran, manchmal nicht.
Es gibt Inseln in seinem Kopf, die meist im Nebel liegen, plötzlich aber ganz klar aufscheinen. Offenbar sind sie weit genug von den Schwarzen Löchern entfernt.
Seit kurzem wohnt er mit seiner Frau in einem kleinen Apartment im Altenheim. Dafür sind sie von Lübeck nach Süddeutschland umgezogen, wo ihre Tochter lebt. Die wenigen verbliebenen Möbel transportierte ein Umzugswagen. Vorher erkundigte er sich immer wieder bei seiner Frau, wann denn der Zug abfährt.
Jedes Mal antwortete sie ihm geduldig: «Acht Uhr zwanzig». Zu seiner Tochter sagte er später verärgert, sie hätten nicht einmal frühstücken können. «Natürlich habt ihr gefrühstückt», antwortete sie. Sie spricht in einfachen, kurzen Sätzen mit ihm. Oft wird er wütend und sagt zu ihr, er sei doch kein Kind.
Seit sie in Süddeutschland wohnen, ist die Zahl der Schwarzen Löcher in seinem Kopf deutlich angewachsen, meint er. Wenn er morgens aufwacht, weiss er häufig nicht, wo er ist. Ausserdem ist ihr ganzes Geld jetzt futsch, verschwunden in einem Schwarzen Loch.