Bevor die Decke auf den Kopf fällt - demenzjournal.com

Corona zu Hause

Bevor die Decke auf den Kopf fällt

Mit solchen Ereignissen muss man leben können, wenn man Menschen mit Demenz betreut. Ärgern bringt nichts, versuchen Sie es mit Humor zu nehmen! Véronique Hoegger

Im gegenwärtig herrschenden Ausnahmezustand wird die Aufgabe für zu Hause betreuende Angehörige noch anspruchsvoller. Damit Sie die Coronakrise besser überstehen, haben wir Tipps von Fachpersonen aus der Praxis gesammelt.

Tagesstätten haben ihre Angebote reduziert oder ganz eingestellt. Auch die Spitex hat ihre Dienste reduziert – oder wird es noch tun. Angehörigengruppen tagen nicht mehr. Die Konzerte der Kirchgemeinde finden nicht mehr statt. Alte Menschen dürfen keine Besucher mehr empfangen – also fallen auch mögliche Entlastungen durch Kinder, Enkel, Nachbarn und Freunde weg.

Das Gute vorweg: Alte Menschen können meist besser mit Beschränkungen umgehen, wie sie der Coronavirus ausgelöst hat. Sie haben in der Regel weniger Aktivitäten und Sozialkontakte als junge Menschen. Viele von ihnen haben in ihrem Leben entbehrungsreiche Zeiten und Ausgangssperren erlebt – zum Beispiel während des Krieges. Sie sind resilienter.

Corona und Heime

Pflegen im Ausnahmezustand

Das «normale» Leben steht still, die Menschen gehen kaum mehr aus dem Haus. Derweil stehen Pflegepersonen unter grosser Belastung. weiterlesen

Doch was soll eine Frau mit ihrem Mann machen, wenn er trotz seiner Demenz noch sehr rüstig ist und am liebsten lange Spaziergänge macht? Was ist zu tun, wenn die äusserst kontaktfreudige und fitte 70-Jährige (mit Demenz) immer raus und den Leuten die Hände schütteln will? Womit können Sie verhindern, dass Ihnen die Decke auf den Kopf fällt?

alzheimer.ch hat sich mit den Fachfrauen Andrea Mühlegg-Weibel und Katharina Rehli-Fankhauser unterhalten und Tipps für die Betreuung und Pflege zu Hause gesammelt:

  • Allgemeingültige «Rezepte» gibt es nicht. Die Bedürfnisse von Menschen – mit oder ohne Demenz – sind sehr individuell. Sie sind die Expertin/der Experte in der Betreuung und Pflege ihres erkrankten Angehörigen. Sie kennen bereits viele passende Angebote. Vielleicht können Sie diese erweitern oder mal etwas Neues probieren.
  • Sinnlichkeit ist angesagt: Voll- oder Fussbäder, Musik hören, Aromatherapie, nesteln (zum Beispiel mit Tuch, Wollknäuel, Knöpfen etc.), turnen, tanzen, spielen.
  • Machen Sie es wie die Italiener: Singen und Musizieren Sie! Dazu braucht es keine Instrumente, es geht auch mit Stimme, Klopfgeräuschen oder allerlei Utensilien (zum Beispiel Pfannenschlagzeug).
  • Schöne sinnliche Erlebnisse sind auch Berührungen: Salben oder Öle einreiben, Ausstreichungen, Körper- und Fussmassagen, Umarmungen.
  • Wer sich nicht gerne von seinen Mitmenschen berühren lässt, kann in eine Decke eingewickelt oder mit Kissen eingekuschelt werden.
  • Eignen Sie sich Techniken an wie Reiki, Yoga, Meditation usw. Viele Menschen mit Demenz machen gerne mit. Wenn sie es nicht tun, nützt es trotzdem, weil Sie selber ruhiger und ausgeglichener werden.
  • Versuchen Sie, Hausarbeiten wie rüsten, kochen, tischen, reinigen usw. gemeinsam zu machen.
  • Haben Sie einen Hometrainer? Oder Hanteln, Bälle und andere Sportgeräte? Animieren Sie den Betroffenen, sich spielerisch damit zu beschäftigen. Oder machen Sie ihm Gymnastik-Übungen vor.
  • Wenn möglich gehen Sie täglich hinaus in die Natur, wo es zu keinen nahen Begegnungen mit anderen Menschen kommt – sofern dies an Ihrem Wohnort gestattet ist. Bei einem verordneten Shutdown können Sie vielleicht bei der Kommune eine Sonderbewilligung beantragen (mit Hunden darf man ja auch raus). Sie können zum Beispiel im Wald etwas sammeln, mit dem Sie zu Hause basteln und werken können.
  • Schaffen Sie für diese Zeit mehr Platz in Ihrer Wohnung, damit sich der Betroffene freier bewegen kann.
  • Kultivieren Sie die täglichen Rituale – vielleicht können Sie diese um ein paar Extras erweitern.
  • Sehr wichtig ist die nonverbale Kommunikation: Ihre Haltung (innerlich und körperlich), Mimik und Gestik. Validierende Gespräche schaffen Nähe und Verständnis.
  • Versuchen Sie, eine ausgewogene Mischung aus Aktivität und Entspannung zu erzeugen, konzentrieren sie sich dabei auf das, was sie noch machen können.
  • Grundsätzlich sollen ältere Menschen keine Besucher mehr empfangen. Wenn Überforderung und Eskalation drohen, sollten Sie sich von anderen Familienangehörigen helfen lassen. Sie können sich zum Beispiel auf die immer gleiche Person beschränken, die sich genau an die Schutzvorschriften hält.
  • Telefonieren Sie oft, wenn möglich auch mit Bild (Skype, FaceTime, Whatsapp etc.) und über den Lautsprecher, damit Ihr Angehöriger auch teilnehmen kann. Tauschen Sie sich auf diese Weise mit Ihrer Familie und Ihren Freunden aus.
  • Versuchen Sie, «Fehlleistungen» mit Humor zu tragen. Manchmal wirken sie auf den zweiten Blick poetisch und fantasievoll.

Machen Sie es wie die Dänen! Die haben Hygge.

Quelle Youtube