Das habe ich mir wirklich anders vorgestellt. Es kann doch nicht so schwer sein, sich einen Tag und eine Nacht lang ins Bett zu legen, liegen zu bleiben und nichts zu reden. So hatte ich es geplant: um 9 Uhr morgens in die Oase der Sonnweid zu gehen und einmal während 24 Stunden das zu machen, was viele Menschen immer machen – einfach nur liegen.
Angefangen hatte es ja damit, dass ich den Termin schon einmal verschoben habe, aus fadenscheinigen Gründen. Dieses Mal konnte ich nicht weichen, wollte ich meine Glaubwürdigkeit in der Sache nicht verlieren. Mit mulmigen Gefühlen und irgendwie traurig machte ich mich auf ins C4, wurde herzlich begrüsst, das Bett war parat. Dann legte ich mich hin und war damit Teil der Oase.
Das beklemmende Gefühl ging nicht weg, den ganzen Tag nicht, ich kam mir fehl am Platz vor, konnte mich nicht in die Situation hineinbegeben. Natürlich war es so auch nicht möglich, nicht zu reden, was mir ja grundsätzlich schwer fällt (meine Frau Monika weiss ein Lied davon zu singen: aufwachen und los geht’s!).
Die Menschen um mich herum waren alle so freundlich und sprachen mit mir. Nach 30 Minuten schaute ich zum ersten Mal auf die Uhr, nach 25 wieder, dann wurden die Abstände immer kürzer. Um mich herum passierte zwar sehr viel, was ich auch hören konnte, aber nichts was mich selbst betraf.
So fühlte ich mich als Zwangsmithörer von Sätzen und Satzfetzen von Angehörigen, Mitarbeitern und Bewohnerinnen. Die Art und Weise wie mit den Kranken gesprochen wurde, erfreute mich ausserordentlich. Die Liebe, wie sich die Menschen begegneten.
Da war eine Haltung spürbar, wie mit Menschen überhaupt umgegangen werden soll. Das war gelebte Partnerschaft auf Augenhöhe. Es geht, es geht wirklich, ich habe es erlebt; und die kranken Menschen dürfen das täglich erleben. Danke an die guten Menschen.
Dann liegt man also da. Nichtsnutzig rumliegen würde ich es nennen. Ich halte mich selbst fast nicht aus, irgendwann essen, rasch vorbei, wieder liegen. Jetzt einmal der Versuch, eine Stunde liegen ohne bewegen. Wieder scheitern, fünf Minuten waren das höchstens. Ich habe mich zwar gut entspannt mit dieser Übung, bin dann aber eingedöst und habe mich wieder bewegt. Nicht möglich. Und immer wieder der Blick auf die Uhr : Es war noch nicht mal drei!
Hier ist das Zentrum der langsamen Langsamkeit, das Zentrum des Seins in Superzeitlupe.
Ich werde gefragt, ob ich was brauche. Und da stellt sich mir die Frage nach dem Unterschied zwischen der Oase Sonnweid und dem maledivischen Sandstrand. Warum streben wir nach diesem Liegen können in den Ferien?
Wir fliegen auf die Malediven um genau das zu machen, was ich hier auch mache: (sinnloses) rumliegen. Warum wird es dort Erholung genannt und hier Tortur?
Das wiederum würde die Sache ja einfacher machen. Die Aussicht alleine macht es wohl nicht aus. Unterliegen wir letztlich nicht den Bildern, wie es zu sein hat und nicht, wie es ist? Ist Malediven-Strand nicht auch Oase-Liegen, wir bewerten es nur anders? Darin liegt der Unterschied.
Ich erlebe die Menschen hier als äusserst zufrieden, sie erhalten mehr als sie brauchen, jede Menge Zuwendung. Im Überfluss, würden die Ökonomisierungsapostel des Gesundheitswesens sagen – denen wäre das zu viel Zuwendung für die anderen. Für sich selbst wohl nicht, aber die können sich eine eigene Demenz eben nicht vorstellen.
Was entschleunigtes Personal bewirken kann, habe ich erlebt: Das, wofür wir uns jahrelang eingesetzt haben gibt es tatsächlich. Zuwendung wirkt, man stelle sich das vor!