«Können Sie mir sagen, was passiert ist? Was muss ich nun tun? Soll ich hier warten?» Frau Gross* wurde gestern ein Teil der Brust entfernt. Nun geht sie unruhig und unsicher im Spitalnachthemd auf dem Korridor umher. Dabei schaut sie jeweils fragend zum Pflegepersonal und fasst ungläubig an ihre Wunddrainage.

Frau Gross zeigt Symptome einer mittelschweren Demenz und musste für diesen Eingriff an der Brust – eine Teilmastektomie – für drei Tage ins Akutspital.

Diese kurze Beschreibung einer postoperativen Situation lässt erkennen, welche Herausforderung dieser Spitalaufenthalt sowohl für die Patientin als auch das Pflegefachpersonal darstellt.

Die beiden Autorinnen werden als Praxisbegleiterinnen Basale Stimulation® häufig zu vergleichbaren Situationen gerufen. Dabei stellen sie immer wieder fest, wie ungünstig die Rahmenbedingungen des Akutspitals für eine demenzgerechte Pflege sind.

Die hektische Atmosphäre, der häufige personelle Wechsel und die Strapazen im Akutspital sind für demente Menschen zusätzliche Stressfaktoren.

Zudem haben die beiden Praxisbegleiterinnen beobachtet, wie es bei diesen Patientinnen und Patienten oft zu Kommunikationsproblemen und Komplikationen wie einem Delir und/oder Stürzen kommt.

Dementsprechend integrieren sie Interventionen des Konzepts der Basalen Stimulation in die jeweilige Pflege und Pflegeplanung. Aufgrund der steigenden Zahl dementer Menschen werden sich solche herausfordernde Situationen in Zukunft mehren.

Im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie wurde unter anderem ein Projekt lanciert, welches sich mit der Förderung der demenzgerechten Versorgung in Akutspitälern befasst.

Basale Stimulation®

Das Konzept der Basalen Stimulation® wurde in den 1970er Jahren von Andreas Fröhlich entwickelt und später zusammen mit Christel Bienstein auf den Bereich der Pflege adaptiert. Die Ausbildung zur Pflegefachfrau HF (Schweiz) beinhaltet mit dem Absolvieren eines Basisseminars Basale Stimulation den Erwerb von Grundlagenwissen.

Die Verfasserinnen dieses Beitrags sind durch ihre praktischen Erfahrungen überzeugt davon, dass durch die Umsetzung des Konzepts der Basalen Stimulation die Pflege dieser Menschen optimiert werden kann.

Um dies zu veranschaulichen, haben sie in ihrer Abschlussarbeit1 zwei Fallbeispiele von dementen Menschen im Akutspital bearbeitet und die darin angewendeten Interventionen der Basalen Stimulation evaluiert.

Die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz im Spital sind sehr verschieden. Das ist unter anderem auf die unterschiedlichen persönlichen und sozialen Ressourcen sowie Demenzstadien zurückzuführen. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Analyse der Patientensituation.

Neben der klassischen pflegerischen Entscheidungsfindung bieten Modelle der Basalen Stimulation wie das Hexagon (siehe Grafik weiter unten), und die zentralen Lebensthemen geeignete Instrumente, um die Bedürfnisse und Ressourcen der Betroffenen aufzuzeigen.

Bei demenzkranken Menschen bestehen oft erhebliche Beeinträchtigungen in mehreren Aktivitäten des täglichen Lebens. Durch die Summierung der pflegerischen Probleme besteht die Gefahr, dass insgesamt stark defizitorientierte Sichtweisen dominieren und der ganzheitliche Blick verloren geht.

Die Praxisbegleiterinnen stellen ganz bewusst ressourcenorientierte Aspekte ins Zentrum der Pflege und unterstützen damit die Individualität der Menschen mit Demenz.

Im Fall von Frau Gross stellten sich folgende Fragen: «Wie kommuniziert sie?»; «Welche Impulse benötigt sie, um die Mahlzeiten selbständig einnehmen zu können?»; «Welche Unterstützung erfährt sie von ihren Angehörigen?»

Abgesehen von individuellen Einschätzungen gibt es pflegerische Prioritäten hinsichtlich der  Vermittlung von Sicherheit und Vertrauen, was bei der Pflege von Menschen mit Demenz generell wichtig ist.

Dazu zählen die Planung der Bezugspflege, eine individuell angepasste Kommunikation und eine ausführliche Anamnese. Bei der Informationssammlung geht es unter anderem darum, Gewohnheiten (z.B. Essen und Schlafen), Ressourcen (z. B. Kommunikationsmöglichkeiten) und Bedürfnisse der betroffenen Person zu erfassen. Dies mit dem Ziel, Gewohntes und Vertrautes der Patientinnen und Patienten in die Pflege zu integrieren.

Hexagon – ganzheitliches Entwicklungsmodell.SBK/Hogrefe

Um diese Informationen systematisch erfassen zu können, gibt es am Kantonsspital St.Gallen ein Instrument, die sogenannte «Dokumentation Basale Stimulation®», welche ergänzend zur Pflegeanamnese gemeinsam mit den Angehörigen besprochen und ausgefüllt wird.

Die Analyse der Patientenbeispiele macht deutlich, wie durch die Auseinandersetzung mit einzelnen Themenbereichen die Fähigkeiten und das Befinden von Menschen mit Demenz differenzierter erfasst werden können.

Das Modell Hexagon ermöglicht es, die einzelnen Themen schwerpunktmässig zu betrachten und zu sehen, wie sie sich entwickeln und gegenseitig beeinflussen.

Konkret sieht dies im Fall von Frau Gross so aus, dass eine Wechselwirkung zwischen der sozialen Interaktion und den motorischen Fähigkeiten besteht.

Wenn Frau Gross in regelmässiger Gesellschaft der Pflegefachpersonen war, äusserte sie weniger Beschwerden und konnte sich selbständiger bewegen.

Anhand dieser Beobachtungen und der Erfassung der Bedürfnisse durch die ergänzende Pflegeanamnese, erstellten die Praxisbegleiterinnen die Pflegeplanung.

Bei der anschliessenden Evaluation ist die positive Wirkung der Massnahmen zur Förderung der Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation der betroffenen Menschen deutlich erkennbar.