«Mich interessiert, wie ihr die Gefühle erlebt», sagt Rosa*. «Bei den Männern kommt man nicht so recht an die Gefühle. Mich interessiert, ob auch Du manchmal weinst.» Der angesprochene Max, ein vierschrötiger Mann mit lauter Stimme und kariertem Hemd, sitzt ihr mit offenem Blick gegenüber und antwortet: «Was bringt das?» Nach einer kurzen Pause sagt Rosa: «Vielleicht denke ich das nächste Mal, wenn ich weine, an Max’ Worte. Vielleicht bringt es ja wirklich nichts.» Rosa hat eine Mutter, die vermutlich an einer beginnenden Demenz leidet. Und Rosa ist unschlüssig, wie sie ihre Mutter, die ihre Defizite vehement abstreitet, unterstützen kann.
Er sei schon nicht immer gleich gut aufgelegt, teilt dann Max doch noch mit. «Bist Du denn manchmal wütend?», hakt Rosa nach. Max, ein pensionierter Gewerbler aus Ennenda, dessen Frau schwer dement ist und in einem Heim lebt, ringt nach Worten. Die Gruppenleiterin Sylvia Hefti spricht aus, was Max jetzt vielleicht denkt: «Was ich hier oft erlebe, ist Traurigkeit. Man kommt sich allein vor. Und die Leute finden es nicht gerecht, dass die medizinischen Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Bei der Demenz hingegen müssen sie bezahlen, bis kein Geld mehr da ist.»
Angebote für Angehörige
In der Schweiz gibt es verschiedene Institutionen, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die profilierteste ist Alzheimer Schweiz. Sie und ihre 21 Sektionen setzen sich für bessere Lebensbedingungen für Menschen mit Demenz ein. Die Mitarbeiter von Alzheimer Schweiz leisten Hilfe zur Selbsthilfe, informieren, beraten, unterstützen und bilden aus. Angehörigengruppen, die sich regelmässig treffen, gibt es in vielen Regionen der Schweiz. Die Pro Senectute verfügt über ein Netz von über 130 regionalen Beratungsstellen. Über die Website oder telefonisch können Beratungstermine vereinbart werden. Die Fachleute der Pro Senectute vermitteln Entlastungsangebote, unterstützen in schwierigen Situationen oder zeigen auf, wie die Betreuung finanziert werden kann.
Es gebe auch im Kanton Glarus Leute, die sich bei der Betreuung ihres demenzkranken Angehörigen selbst überfordern, weil sie sich davor fürchten, die hohen Kosten für die Betreuung zu Hause oder im Heim nicht bezahlen zu können. «Es wäre an der Zeit, dass politisch etwas geht», findet Hefti. An diesem Abend sprechen die sechs Angehörigen vor allem über die Tücken des Alltags und über die Bedeutung von medizinischen Diagnosen.
Im Kursraum der Glarner Pro Senectute trifft sich die Gruppe immer am ersten Mittwoch des Monats. Zwischen fünf und zehn Angehörige nehmen jeweils teil. Sylvia Hefti hat sich für ihre Aufgabe speziell ausbilden lassen. Seit 15 Jahren betreut sie beruflich und privat Menschen mit Demenz. «Oft muss im Alltag alles sehr schnell gehen, man verliert die Sensibilität fürs Wesentliche», sagt sie. «Wenn man alte Menschen betreut, muss man sich ihrem Tempo und ihrer Ruhe anpassen. Das finde ich sehr wertvoll, deshalb wechselte ich von der Gastronomie in diesen Bereich.»